OBERHAUSEN. . Im Peter-Behrens-Bau macht man Platz für 20.000 Plastik-Objekte. Der LVR schloss einen Kooperations-Vertrag mit dem Deutschen Kunststoff-Museum.
- 100 000 Objekte bewahrt das LVR-Industriemuseum in seinem Depot, dem Peter-Behrens-Bau
- Jetzt rückte alles enger zusammen für weitere 20 0000 Objekte vom Radio bis zur Telefonzelle
- Das Deutsche Kunststoff-Museum ist als Partner des LVR an der Essener Straße 80 eingezogen
Willkommen im erdgeschichtlichen Zeitalter des „Plastizäums“ – so jedenfalls begrüßte Dr. Wolfgang Schepers die im Peter-Behrens-Bau an der Essener Straße 80 versammelte Runde. Im ikonischen Depot des LVR-Industriemuseums hat während der letzten Wochen die Sammlung des Deutschen Kunststoff-Museums Einzug gehalten. Noch blickt Schepers, der ehrenamtliche Präsident des Trägervereins, auf großteils in Speditions-Kartons und hinter Folien-verschnürten Paletten versteckte Ware. Aber ein paar kultige Design-Objekte aus Kunststoff sind schon ausgepackt und fotogen drapiert.
200 Quadratmeter Plastik-Platz
Schließlich haben das Industrie- und das Kunststoff-Museum – eine 20. 000 Objekte umfassende Sammlung ohne eigenes Ausstellungs-Domizil – noch Großes miteinander vor. Die Kooperation ist jetzt vertraglich vereinbart – und Michael Gaigalat sorgte für rund 200 Quadratmeter Plastik-Platz im denkmalgeschützten Peter-Behrens-Bau. Wie? „Wir haben gedrückt und nochmal gedrückt“, sagt der Leiter der musealen LVR-Sammlungsdienste. „Schauen Sie jetzt bitte nicht in die Ecken.“ Das „Ent-Sammeln“, also das wohl überlegte Aussortieren, steht einigen LVR-„Schätzchen“ von geringem musealem Wert noch bevor.
Ein in England 1855 fabrizierter Handspiegel aus Schellack und Glas ist das älteste unter 20 000 Objekten des Kunststoff-Museums – und wie etliche Konsumgüter des „Plastizäums“ von handlicher Größe. Das wohl größte Einzelstück ist ein Nach-Wende-Trabant von 1990, direkt vom Fließband erworben. „Er ist nie auf der Straße gewesen“, weiß Uta Scholten, die hauptamtliche Kuratorin des Kunststoff-Museums. Benzin und Motoröl haben das Ausstellungsstück zwar nie verunreinigt – in die Stickstoff-Kammer muss es dennoch. „Wir haben doch einige organische Partikel gefunden“, wie Michael Gaigalat sagt.
Von der Plexiglas-Handtasche bis zum Acryl-Stuhl
Entzückendes Vintage-Design vom 1930er Handtäschchen aus weißem Plexiglas bis zu Verner Pantons stapelbarem Acryl-Stuhl von 1971 zählen zu den vorab ausgepackten Schätzen der Sammlung, die aber auch einige wenige Produktionsmaschinen enthält. Uta Scholten verweist auf die nach wie vor einsatzfähige Bakelit-Presse und einen Kunststoff-Extruder: Perlen für ein Industriemuseum.
Zudem erhält die Kuratorin des Kunststoff-Museums nun einen Arbeitsplatz in der Zentrale des Industriemuseums auf Altenberg. „Wir haben hier jetzt Fachleute,“, freut sich Michael Gaigalat, „die auch unsere Kunststoff-Objekte bewerten können“. Denn der Sammlungsleiter betont: Gänzlich habe das Industriemuseum auch bisher die chemische Industrie nicht übersehen. So zählt seit 15 Jahren ein großes Konvolut von Fotos und Dokumenten der Holtener Ruhrchemie zum LVR-Bestand.
Die erste gemeinsame Schau wird übrigens Ende November in der Zinkfabrik Altenberg zu sehen sein: „Energiewende – Wendezeiten“ heißt dann die neue Sonderausstellung des LVR, flankiert von der Ausstellung „Unter Strom“ des Kunststoff-Museums.
Und 2019 will man mit Exponaten aus beiden Beständen groß das hundertjährige Bestehen des Weimarer/Dessauer Bauhauses würdigen. „Stoff und Form“ lautet der Arbeitstitel. Dann wird der stolze Depot-Dampfer des Peter-Behrens-Baus selbst zum Ausstellungsort werden.
>>> MAGIE EINER ALLTÄGLICHEN MATERIE
„Eine national und international bedeutende Sammlung“ – so stellte Dr. Walter Hauser, der Direktor des LVR-Industriemuseums, die neuen Vertragspartner vom Deutschen Kunststoff-Museum vor. Träger dieses Museums ohne festen Ausstellungsort ist kein Landschaftsverband und keine Stadt, sondern ein vor 30 Jahren gegründeter Verein mit Sitz in Düsseldorf.
Stark unterstützt von der Messe Düsseldorf, die das bedeutendste Kunststoff-Branchentreffen ausrichtet, trug der Verein dank privater Stiftungen und Schenkungen seine Sammlung zusammen. „Magie einer alltäglichen Materie“ hieß 1986 die erste Ausstellung – zu sehen beim Kunstverein Darmstadt. Das Konzept, die eigenen Bestände stets mit thematisch aufgebauten Wanderausstellungen zugänglich zu machen, nennt Dr. Wolfgang Schepers, der Präsident des Museums-Vereins, „eine richtige und logische Neuausrichtung“. Zuletzt vergrößerte noch eine 5000 Objekte starke Sammlung aus den Niederlanden den Bestand.
Beruflich sind oder waren die Ehrenamtler zwar der chemischen Industrie verbunden. „Alle Ausstellung haben wir aber selbstständig zusammengestellt,“ betont Wolfgang Schepers. „Von der Industrie ist die Unterstützung eher gering. Vielen Firmen fehlt das historische Bewusstsein – es ist manchmal ein Jammer.“ Etliche historisch wertvolle Objekte seien schon gedankenlos „entsorgt“ worden.