Oberhausen. . Fernöstliche Bühnenkunst und Archäologie waren Preisträger-Themen der 63. Kurzfilmtage. Der Große Preis der Stadt Oberhausen geht nach China.

  • 16 Preise, dotiert mit insgesamt 42.000 Euro, vergaben die 63. Internationalen Kurzfilmtage
  • Die jungen Kurzfilmemacher zeigten sich aber auch bewegt über „lobende Erwähnungen“
  • Die höchstdotierten internationalen Preise gehen an Regisseure aus China und Thailand

Im langen Reigen der 16 Preise und des Dutzends lobender Erwähnungen war’s nur ein kurzer Moment – aber einer, in dem sich Glanz und Elend des Kurzfilmens prägnant bündelten: Phillippa Ndisi-Hermann erhielt den Preis der Ökumenischen Jury, erschien im eleganten langen Kleid auf der Bühne – eine Ausnahme-Erscheinung im drückend heißen Saal der Lichtburg – und sagte mit bewegter Stimme: „Ich mache schon so lange Filme ganz ohne Geld.“

Der 32-Jährigen aus Nairobi bedeutete die Auszeichnung für ihr vierminütiges Film-Poem „Seeds“ sehr viel. Dabei rangieren ihre 1500 Euro Preisgeld nur im Mittelfeld hinter den doppelt- bis fünffach so hoch dotierten Hauptpreisen. „Seeds“ sagt in Aufnahmen der mühevollen Eiablage von Meeresschildkröten an einem kenianischen Strand: „Jedes Ei ein Globus, jeder Globus ein Universum.“

Eine Szene aus „Mrs McCutcheon“, dem besonderen Film im Kinderkino-Wettbewerb: Ein Junge kommt im Kleid zur Schule und will nicht mehr Tom heißen.
Eine Szene aus „Mrs McCutcheon“, dem besonderen Film im Kinderkino-Wettbewerb: Ein Junge kommt im Kleid zur Schule und will nicht mehr Tom heißen. © Kurzfilmtage

Preisgelder in Höhe von 42.000 Euro

Insgesamt 42.000 Euro an Preisgeldern vergaben die Kurzfilmtage und ihre diversen Stifter zum Abschluss ihres 63. Festivals. Der Große Preis der Stadt Oberhausen, dotiert mit 8000 Euro, geht nach China an Cui Yi – und an eine schlichte Hommage an eine viel ältere Kunst: Denn „Late Summer“ zeigt in 13 Minuten traditionelles chinesisches Theater in seiner seit Jahrhunderten überlieferten Einheit von Kostümpracht, Gesang und Akrobatik.

Tief in fernöstliche Historie taucht auch Chai Siris, der Träger des mit 4000 Euro dotierten Hauptpreises: Der 34-Jährige aus Chiang Mai erkundet in 16 Minuten eine thailändische Grabungsstätte. Statt des stilvollen Blicks zurück erschuf Zhong Su – dritter Preisträger aus Fernost – eine dunkle Utopie: In einer menschenleeren Welt erobern Tiere die verfallenden Städte. Bildmächtiges Großkino in nur sieben Minuten.

Helden des bäuerlichen Alltags in der von Kubas KP heroisch überhöhten Sierra Maestra: Eine Szene aus„El Manguito“ von Laurentia Genske.
Helden des bäuerlichen Alltags in der von Kubas KP heroisch überhöhten Sierra Maestra: Eine Szene aus„El Manguito“ von Laurentia Genske. © Kurzfilmtage

„Die Projektion hier in Oberhausen“, lobte Peter Braatz aus der Jury des Kulturministeriums NRW, „gehört zu den besten der Welt“ – die Belüftung in der Lichtburg definitiv nicht. „Alle sind schon schwer am Fächeln“, konstatierte Festivalleiter Lars Henrik Gass.

Erfrischende Bilder bei gefühlten 37 Grad Saaltemperatur lieferte der Kroate Boris Pojak, belohnt mit 5000 Euro von der NRW-Jury, mit „They just Come and Go“: In 20 Minuten blickt er auf alte und junge Menschen an einem adriatischen Stadtstrand von Split.

Beim zweiten Preis der ministeriellen Jury wird’s sogar richtig kalt: „Terrenal“ des argentinischen Teams Ivan Jose Murgic Capriotti und Sofia Lena Monardo erzählt in poetischen Bildern von der Winterwelt zu Füßen des Vulkans Lanin.

Eine wahre Geschichte aus Lateinamerika

Von diesem dokumentarischen Werk entfernt sich „Die Herberge“ von Ulu Braun mit ihrer digital erzeugten, apokalyptischen Kunstwelt weitestmöglich. Der 40-Jährige erhält den Hauptpreis des Deutschen Wettbewerbs und 5000 Euro. Der 3sat-Förderpreis dagegen belohnt wieder eine in körnigen Bildern erzählte wahre Geschichte vom lateinamerikanischen Landleben: In „El Manguito“ erzählt Laurentia Genske von Menschen in der kubanischen Sierra Maestra – einst Fidel Castors Versteck als Guerilla-Kämpfer.

Die Preisträger des NRW-Wettbewerbs sorgten für den überraschendsten Moment des langen Abends: Die „Kölner Gruppe“ füllte zu zehnt die schmale Bühne vor der Filmleinwand. Sie wollten mal die Zahl der Juroren toppen, wie Markus Mischkowski erklärte. Sein Sechsminüter „Der Wechsel“, gedreht mit einer uralten Handkurbelkamera, schwelgt charmant in Nostalgie. Und keine Sorge: Die Zehn nahmen nur ein Glas Preisträger-Honig mit, frisch geerntet vom Bienenstock der Kurzfilmtage-Villa.

>>>Info: Die Preise der Kinder- und Jugend-Jury

„Fast hätten wir uns richtig in die Haare gekriegt“, sagt Daniel Danso von der Jugendjury ins Mikrofon – und lacht ein strahlendes Lachen, „fast!“ Die Qual der Wahl haben selbst die jüngsten Juroren der Kurzfilmtage kennengelernt. Denn selbst die Filme mir „nur“ einer lobenden Erwähnung sind bemerkenswert. „Jeder Film stellt ein eigenes Juwel dar“, sagte Bürgermeister Klaus-Dieter Broß.

Daheim in den USA darf sich Aude Cuenod über gleich zwei Preise für „Scrap Dolls“ freuen: den mit 1000 Euro dotierten Preis der Kinderjury – und den Preis der jugendlichen Gastjury des Brüsseler Festivals „Filem’on“. Ein Junge hat seine Freundin verloren. Seine Trauerarbeit sind die „Lumpenpuppen“ des Filmtitels. Den in gleicher Höhe dotierten EVO-Förderpreis erhält Martin Turk für „A Well Spent Afternoon“, die siebenminütige Geschichte eines – dank guter Tat – gelungenen Nachmittages. Doch zuallererst begrüßten die Kinder den strahlenden Andre Lima. Der Produzent von „Mrs Mc Cutcheon“ freute sich über die „lobende Erwähnung“, als wär’s der Hauptpreis.

Last, not least, der Preis der Jugendjury, ebenfalls mit 1000 Euro dotiert: Ihn erhält Antoneta Kusjanovic für „Into the Blue“. Die jungen Juroren erkannten: Ein guter Film „braucht kein Happy End“.