Oberhausen. . Road-Movie zur Musik der Tindersticks gewinnt den 19. Muvi-Preis. Andere Clips sind überhaupt nicht jugendfrei – aber mutig.

  • Sex und Sex und Sex – dazu eine dezente Ausnahme: Und die gewann den 19. Muvi-Preis
  • Christoph Girardet schuf das Road-Movie „Second Chance Man“ zur Musik der Tindersticks
  • Gestalterisch am interessantesten aber waren Zeljko Vidovics tanzende Spermien-Gesichter

Plötzlich ist’s bei den Kurzfilmtagen doch wie in Hollywood: Als Juror Daniel Kothenschulte bei der Verleihung des Muvi-Preises zum Umschlag für das beste Musikvideo greift, ist die Vergabe des mit 2000 Euro dotierten ersten Preises vertagt: „Also auf meiner Karte steht La La Land“, sagt der Filmkritiker aus Köln in der späten Samstagnacht und spielte damit scherzhaft auf die verpatzte Oscar-Verleihung an.

In Oberhausen lief dann doch alles glatt und so konnte Christoph Girardet den Preis für seinen Clip „Second Chance Man“ der britischen Alternative-Popper Tinder­sticks ohne peinliche Verwirrung in Empfang nehmen. Die Auszeichnung ging an ein zurückhaltendes Road-Movie mit markanter Bildsprache. Damit war es dann allerdings vorbei mit dem Familien-Programm. Aber nicht, weil die erste Preisvergabe des Festivals erst weit nach Mitternacht ein Ende fand.

Zwölf Clips von 272 im Finale

Zweite Chance, erster Preis: „Second Chance Man“ zur Musik der Tindersticks gewann den 19. Movie-Wettbewerb. 2000 Euro für Christoph Girardet.  
Zweite Chance, erster Preis: „Second Chance Man“ zur Musik der Tindersticks gewann den 19. Movie-Wettbewerb. 2000 Euro für Christoph Girardet.   © Kurzfilmtage

Der 19. Muvi-Preis bestellte aus 272 Einsendungen zwölf Clips ins Finale – alle wurden am Samstag hintereinander gezeigt. Dabei dürfte prüden Zuschauern mehrfach die Brille beschlagen sein. Viele Filmemacher betonten die Intimitäten ihrer Figuren auffällig oft durch: nackte Haut. Dass es nicht zwangsläufig um Oberflächlichkeiten der Epidermis ging, zeigte das Video „Highschool never ends“ des transsexuellen Rappers Mykki Blanco. Regisseur Matt Lambert verwandelte den Konflikt zwischen einer schwarzen Familie und einer Skinhead-Sippe in eine Liebesgeschichte wie bei Romeo und Julia. Ein Beweis dafür, dass Musikvideos durchaus packende Geschichten erzählen können.

Überhaupt nicht jugendfrei werkelte DJ Hell die muskelbepackten Cartoon-Figuren des auf homoerotische Illustrationen spezialisierten Künstlers Tom of Finland zum frivolen Elektro-Beat in „I want U“ zusammen. Mutig witzig und voller Genre-Anspielungen. Dafür vergab die Jury den zweiten Platz und 1000 Euro an den 54-Jährigen. Zeljko Vidovic ließ Collagen von menschlichen Gesichtszügen in „Feel nothing / 15 – 15“ wie Spermien durch den Körper zappeln. Sehr abstrakt, aber gestalterisch fast schon am interessantesten.

Lobende Erwähnung – und Preisgeld?

Für den Filmemacher gab es eine lobende Erwähnung, auf die er mit dem Lacher des Abends antwortete: „Wie viel gibt es noch gleich dafür? Ich habe gerade Probleme mit dem Finanzamt!“

Fehlte nur noch der mit 500 Euro dotierte Online-Publikums-Preis: Diesen erhielt Mariola Brillowska für den Clip „Ich bin hier“, der gemeinsam mit Musikern mit Behinderung der integrierten Beschäftigungsstätte „Song- und Backwerkstatt“ aus Hamburg entstanden ist.