Oberhausen. . Nach dem tödlichen Unfall eines Oberhausener Feuerwehrmanns, der in eine Starkstromleitung geriet, rüsten Deutschlands Feuerwehren nun nach.

  • Ein Stromwarngerät für die Drehleiter kostet zwischen 8000 bis 10 000 Euro
  • Außerdem arbeitet die Oberhausener Feuerwehr an einer Art Stromkataster für die Stadt
  • Das Unglück an der Rheinischen Straße im Oktober 2016 wird genau aufgearbeitet

Der tragische Unglücksfall an der Rheinischen Straße im Oktober 2016, bei dem ein Oberhausener Feuerwehrmann ums Leben kam, hat dazu geführt, dass viele Feuerwehren in Deutschland ihre Fahrzeuge mit zusätzlichen Sicherheitsvorrichtungen nachrüsten. Auch die Drehleitern der Oberhausener Feuerwehr werden nun zusätzlich mit einem Stromwarngerät ausgestattet. Außerdem arbeitet die Feuerwehr an einem Stromkataster, um Stromleitungen in der Stadt besser verorten zu können.

Die Drehleiter, auf der der Unfall passiert ist, war nicht mal ein Jahr alt. Jetzt wird sie verschrottet, sie ist nicht mehr nutzbar. Dazu kommt: Für einige Feuerwehrmänner wäre es eine psychologische Herausforderung, diese Unglücksleiter weiter zu benutzen.

Neue Drehleiter für 70.000 Euro

Die Feuerwehr bekommt eine neue Drehleiter, ein ähnliches Modell wie das Vorgängermodell. Rund 70.000 Euro kostet das Rettungsgerät, das womöglich im April, spätestens im Sommer zur Verfügung stehen wird. Die Stadt muss aus Versicherungsgründen nur rund 100.000 Euro tragen. Normalerweise dauert eine solche Anschaffung rund zwei Jahre. Dieses Mal geht es schneller, weil es sich um ein Vorführmodell handelt, das nicht europaweit ausgeschrieben werden muss.

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Die Drehleiter – alle werden handgefertigt – wird zusätzlich zu den bisherigen Drehleitern über ein Stromwarngerät und zusätzliche Scheinwerfer verfügen. Die Stromwarngeräte warnen anhand von akustischen und optischen Signalen und sorgen ab einer gewissen Entfernung dafür, dass die Drehleiter stehen bleibt. Vier Warnsensoren sind im Drehleiterkorb angebracht, zwei am Fahrgestell.

Istanbul hat die Geräte im Einsatz

„Aber eine hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben“, sagt Gerd Auschrat, Leiter der Oberhausener Feuerwehr. Er weiß: Nach diesem schrecklichen Unfall wollen auch andere Feuerwehren nachrüsten.

Stromwarngeräte beispielsweise waren in der DIN-Norm nie vorgesehen. Feuerwehren in Deutschland haben in der Regel nicht über solche Geräte verfügt, lediglich die Feuerwehr in Istanbul hat sie eingesetzt, weil viele Stromleitungen dort frei verlaufen. Gut möglich, dass zukünftig Stromwarngeräte in die DIN-Norm miteinfließen, spekuliert Jürgen Jendrian, stellvertretende Leiter der Feuerwehr.

Auch die anderen beiden Drehleitern der Feuerwehr werden mit Stromwarngeräten nachgerüstet. Ein solches Gerät kostet zwischen 8000 bis 10.000 Euro.

Feuerwehrmann starb

Zudem will die Feuerwehr eine Karte pflegen, in der die Stromleitungen eingezeichnet sind. Das aber sei kompliziert – vor allem, weil im Falle eines Einsatzes die Information über die Stromleitungen schnell und höchst präzise weitergegeben werden müssen. Über größere Starkstromleitungen weiß die Feuerwehr in der Regel Bescheid – so zum Beispiel im Bereich der A42. Doch die Rettungskräfte verfügen über keine Details über kleinere Leitungsführungen.

Zu dem Unfall im Oktober war es gekommen, als der Drehleiter-Korb, in dem sich der Feuerwehrmann befand, gegen eine Starkstromleitung geriet. Der 43-jährige Feuerwehrmann erlitt schwerste Verbrennungen. Er starb eine Woche später an seinen Verletzungen.

Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein

Die Staatsanwaltschaft Duisburg stellte rund drei Wochen später die Ermittlungen ein, weil sie davon ausging, dass die schweren Verletzungen die Todesursache gewesen seien. Eine Schuld eines anderen Beteiligten sei nicht zu erkennen gewesen.

Doch der tödliche Unfall an der Rheinischen Straße im Oktober wirkt noch nach. Einige Oberhausener Feuerwehrleute, die an dem Einsatz beteiligt waren, werden weiterhin vom Feuerwehreigenen Psychosozialen Unterstützungsteam betreut, der zweite Mann, der bei dem Unfall verletzt wurde, ist weiterhin krank geschrieben.

„Wir alle haben getrauert“, sagt Feuerwehrpressesprecher Jörg Preußner, „und wir trauern immer noch“. Er weiß aber auch: „Wir müssen unsere Aufgabe als Feuerwehr erfüllen. Und das tun wir.“ Daher wird der Unfall auch genau aufgearbeitet. Ein Rückblick, um zu verstehen, was in der Nacht zum Samstag, 1. Oktober 2016, an der Einsatzstelle an der Rheinischen Straße in Osterfeld passierte.

Nur ein harmloser Brand

Anwohner hatten nachts in der Nähe der Olga Rauch gemeldet. Ein harmloser Brand, wie sich später herausstellen sollte. Die Feuerwehr rückte mit dem für solche Einsätze üblichen Löschzug aus, der aus einem Einsatzleiterfahrzeug, einer Drehleiter, zwei Großfahrzeugen und einem Rettungswagen besteht.

Die fünf Fahrzeuge fuhren alle zeitgleich los und kamen über die Bottroper Straße zum Einsatzort an der Rheinischen Straße. Während der Einsatzleiter von der Brücke an der Vestischen Straße aus den Brandort erkunden wollte, fuhr zeitgleich die Drehleiter an der Rheinischen Straße hoch.

Dieses zeitgleiche Erkunden, so erklärt Feuerwehrchef Gerd Auschrat, sei die übliche Vorgehensweise, sonst würde zu viel Zeit verloren gehen. Das werde in der Grundausbildung genau so „gedrillt“. Die Erkundung des Brandortes sei zudem auch deshalb wichtig gewesen, weil die Beamten wussten, dass sich dort hin und wieder Obdachlose aufhielten.

Tiefhängende Wolken, Niesel und ein blendendes Licht

Das Wetter in dieser Nacht sei schlecht gewesen, erinnert sich der Feuerwehrchef: Tiefhängende Wolken, Niesel und dazu eine Laterne, die die Brandschützer blendete. Die Beleuchtung der Drehleiter und des zugehörigen Korbes funktionierten einwandfrei. „Man hat keinerlei Leitungen sehen können“, sagt Auschrat.

Doch die Leitung der Deutschen Bahn war da. Das Ungewöhnliche: Sie verlief nicht nur parallel zu den Gleisen, sondern machte einen leichten Knick. Der 43-jährige Feuerwehrmann, der laut Auschrat ein „erfahrener Mann“ gewesen sei, fuhr mit der Drehleiter in die 110 Kilovolt-Starkstromleitung.

Es folgte eine quälende Wartezeit. Eine Zeit, in der die Kollegen, die ihrem verletzten Kollegen helfen wollen, aber zum Zusehen verdammt sind, weil die Drehleiter unter Strom steht. Eine unerträgliche Situation, die fast zwei Stunden andauert. Die Feuerwehr darf erst dann tätig werden, wenn der Strom geerdet ist.

Für das Erden dieses Starkstromkabels ist in dem Fall die Deutsche Bahn zuständig. Nach Angaben von Auschrat gibt es zwei solcher Notfall-Manager. Beide mussten seiner Aussage nach aus dem Raum Köln anreisen. Die Notfallbezirke seien so bemessen, dass eine Fahrtzeit von maximal 30 Minuten „vom definierten Sitz des Notfallmanagers zu einem möglichen Einsatzort“ eingehalten werden könne, sagt ein Bahnsprecher auf Anfrage der Redaktion. „Eine Eingreifzeit oder Hilfsfrist des Notfallmanagers resultiert hieraus jedoch nicht“, heißt es.

Jeder wird speziell ausgebildet

Der Umgang mit Strom ist regelmäßig Teil der Ausbildung der Feuerwehrleute, betont Feuerwehrchef Auschrat. An der Ausbildung werde auch nach dem Unfall nicht gerüttelt, die sei gut. Zirka 70 Prozent der Oberhausener Berufsfeuerwehrleute sind nach Angaben von Sprecher Jörg Preußner Drehleitermaschinisten. Jeder von ihnen wird an jeder Drehleiter speziell ausgebildet. Das wird auch bei der neuen Drehleiter wieder so sein.

Sobald diese neue Leiter abgeholt wird, reisen drei Ausbilder mit Jürgen Jendrian, dem stellvertretenden Leiter der Feuerwehr, mit und werden vor Ort drei Tage lang geschult. Jede Drehleiter verfüge über 18 Sicherheitseinrichtungen, erklärt Jendrian. Das A und O aber ist der Umgang mit ihr. Jendrian: „Sie ist ein Rettungsgerät, das immer in einem Gefahrenbereich steht und tätig wird.“

Die Berufsfeuerwehr in Oberhausen verfügt über vier Drehleiter-Ausbilder. Im Einsatz, so erklären die Fachmänner der Feuerwehr, werden nur ältere, erfahrene Kollegen eingesetzt. Die jüngeren Kollegen würden erst auf anderen Fahrzeugen mitfahren.

Feuerwehr Oberhausen will eine vierte Drehleiter

Wenn die neue Drehleiter da ist, verfügt die Feuerwehr wieder über drei dieser Geräte. „Wir wollen noch eine vierte“, fordert Feuerwehrchef Gerd Auschrat. Drei Drehleitern seien Pflicht, erklärt er: Sollten zwei im Einsatz sein, müsste eine dritte aus Reservezwecken in der Garage stehen. Das wird manchmal eng.

Ein Beispiel: Bei dem Brand einer Doppelhaushälfte am 9. März an der Kolkmannstraße seien drei Drehleitern im Einsatz gewesen, die Duisburger Kollegen haben ausgeholfen und während dieses Einsatzes eine vierte als Reserve für Oberhausen vorgehalten, falls die Feuerwehr zu einem weiteren Einsatz hätte ausrücken müssen.