Oberhausen. . Steff Murschetz’ Zeichnungen zeigen im Bert-Brecht-Haus „Grenzgänger im Niemandsland“. Die 14 Großformate vereinen Comic-Kunst mit Zeitkritik.
- Der Zeichner Steff Murschetz erinnert mit der Ausstellung „Grenzgänger“ auch an seinen Vater
- Aus Jugoslawien geflohen, fand er Arbeit bei GHH und in der eigenen, kleinen Hofwerkstatt
- Atemmaske und Schutzbrille der Murschetz’schen Cyborgs spiegeln den väterlichen „Superhelden“
Ach ja, typischer Underground-Comic. Könnte man meinen, denn Steff Murschetz’ 1,70 Meter hohe Drucke zeigen meist martialische Maschinen-Menschen, die menschlichen Gesichter verborgen hinter Schutzbrillen und Atemmasken. Die drapierte der 50-jährige Zeichner und Herausgeber der „U-Comix“ zur Vernissage im Bert-Brecht-Haus auch auf den Stellwänden seiner Ausstellung „Grenzgänger im Niemandsland“. Doch dahinter steckt eine ganz andere Geschichte als die von Ballerspielen und übermenschlichen Action-Helden.
In den Nächten quälten ihn Albträume
Steffs Vater war ein Grenzgänger – und er trug Schutzbrille und Atemmaske in der kleinen Hofwerkstatt, in der er nach seinen Schichten an der 50 000 Tonnen-Presse der GHH weiter arbeitete. Geflohen war Murschetz’ Vater aus dem kommunistischen Jugoslawien. „Er war stolz auf die deutsche Staatsangehörigkeit und das Haus, das er abbezahlte“, sagt sein Sohn. „Doch in den Nächten quälten ihn Albträume vom Grenzübertritt.“
Der eigene Vater also als Urbild jenes athletischen Superhelden, der auf dem Ausstellungs-Plakat mit schwerer Zange, Seil und Wurfeisen bereits die erste Mauer eines doppelten Grenzverhaus überwunden hat. Steff Murschetz hat sich „Grenzen“ – wie seine Gastgeber von der VHS für dieses Semester – als globales Phänomen vorgenommen.
Eine Cinemascope-Landschaft mit dem Titel „Trump-Mauer“ vereint programmatisch die Hybris aller hochgerüsteten Grenzanlagen: Die Befestigung schwingt sich durch ein Gebirge, als wär’s die Chinesische Mauer, mit Geschützbunkern bestückt wie der Westwall – und aus Betonbauteilen gefügt wie sowohl der „antifaschistische Schutzwall“ der DDR als auch die bereits bestehenden Mauern der USA gegen Mexiko.
Steff Murschetz nutzt einen besonderen Drucker
Für seine epischen Bögen – die als Hochformate noch wirkungsvoller auftrumpfen – nutzte Steff Murschetz einen Drucker, wie er für Bauzeichnungen eingesetzt wird. Moiree-Effekte auf den Zeichnungen waren mit diesem auf pures Schwarz-Weiß ausgelegten Drucker kaum kalkulierbar.
Doch auf einem apokalyptischen Blatt ließ der Zeichner die flirrenden Linien stehen: „Schau nicht zurück!“ zeigt in der linken Bildhälfte einen Atombombenpilz. Im rechten Bildteil hält eine Mutter – halb Beduinin unter flatterndem Tuch, halb „kybernetischer Organismus“ à la Murschetz: ein Cyborg, menschlich und roboterhaft, in den Armen ein Baby mit Atemschutzmaske.
Ein glattes, unverstelltes und kahlköpfiges Kindergesicht jagt auf dem Blatt „Der Drohnenkrieger“ mit seiner Playstation maskenhafte Athleten in panische Flucht. Comic-Kenner dürften viele Referenzen erkennen.
Doch in ihrer Zeitkritik gleichen diese großen Blätter, die ja keine lineare Geschichte erzählen, einem berühmten Alten des brillant-bösen Blicks: „Der Karma-Schütze“ könnte, plakativer gezeichnet, ein echter Tomi Ungerer sein: Der Straßburger wie der Oberhausener biegen den Gewehrlauf so zurück, dass die Kugel den Schützen treffen muss. Eine zielsichere Ausstellung.