Oberhausen. . Seit 40 Jahren macht die Artothek im Schloss Oberhausen Kunst erschwinglich. Auf der Suche nach Werken für die weißen Wände in unserer Redaktion.
- Der Recherche-Auftrag lautet: Kunst aussuchen für die weißen Redaktions-Wände
- Für schöne Kunst gegen kleine Leihgebühr ist die Artothek seit 40 Jahren die erste Adresse
- Hier gibt’s nicht nur „Flachware“, sondern auch eine erstaunliche Auswahl transportabler Skulpturen
Das ist mal ein etwas anderer Recherche-Auftrag: Kunst aussuchen für unsere Redaktionsräume. Unser Flur hängt zwar voll mit Panoramaseiten aus eigener Zeitungs-Produktion – aber von den Schreibtischen aus blickt man doch meistens auf weiße Wände (sieht man mal ab von den sehr nüchtern gestalteten Drei-Monate-Kalenderblättern).
Konzerne, die Wert legen auf eine durchgestaltete „Corporate Identity“ halten sich hoch bezahlte Kunstberater. Aber Oberhausen hat ja die Artothek – und zwar seit mittlerweile 40 Jahren. Das sollte ich möglichst nicht zu laut schreiben, meint Ursula Bendorf-Depenbrock. Die Diplom-Designerin leitet ja nicht nur die Artothek im Kleinen Schloss – sondern auch die städtische Malschule. Und die feiert kommende Woche ein noch „runderes“ Jubiläum – mit Ausstellung und Prachtkatalog zum 50.
Jede Menge Skulpturen in Metall und Holz
In den wohnzimmerkleinen Artothek-Räumen geht’s nicht festlich, aber geradezu anheimelnd zu: Glühweinduft inklusive. Die erste Überraschung bietet allerdings die Menge an kleinen Skulpturen in Metall und Holz, verführerisch drapiert auf Tischen, Fensterbänken und kleinen Podesten. Und ist das nicht sogar eine Bronze von Günter Grass? Den Titelhelden seines 1977er Romans „Der Butt“ hat der Danziger ja in vielen Variationen gezeichnet und modelliert.
Der lebensgroße Bronze-Plattfisch ist ein echtes Schwergewicht – und überhaupt nicht platt, denn die Schwanzflosse nimmt geradezu graziös Schwung. Nur von Grass ist das Tier (sei’s Butt oder Scholle) nicht, sondern von dem ostfriesischen Maler und Bildhauer Hartmut Wiesner. Egal, den leih ich aus. Wie sich so ein Fisch im trockenen Redaktionsalltag platzieren lässt, kann man später klären.
Eine sicherere Bank für – na, ja – repräsentative Räume wäre wohl die in Orange-Tönen strahlende Christo-Grafik. Das Dokument des im Winter 2005 teilverhüllten Central Park in New York, „The Gates“, erleuchtet den Vorraum der Artothek. Barbara van Gellecom hat hinter ihrem Schreibtisch einen echten Blickfang. Ausleihen? Ach nein, zu offensichtlich.
Warum nicht ein bisschen lokalpatriotisch? Da gäbe es jenes großformatige Grafik-Blatt vom Bert-Brecht-Haus, dessen Perspektive meinem eigenen Blick aus dem Fenster verblüffend nahekommt. Doch statt dieses reizvollen Vexierspiels von Drinnen und Draußen entscheide ich mich für eine bezaubernde Verbindung von Gestern und Heute.
Es ist eine Foto-Collage von Axel J. Scherer. „Zeitgeschichte 1“ lässt ein aktuelles Foto des Oberhauseners und ein historisches Bilddokument ineinander fließen: So blickt nun ein älteres Paar unserer Zeit von seiner Haustür auf vorbei schreitende Herren mit hohen Zylindern. „Hermann Wippmann Feinkost“ ist auf der Fassade des Nachbarhauses zu lesen. Ursula Bendorf-Depenbrock würde sich weitere Werke dieser Reihe wünschen – denn deren Charme ist beträchtlich. Nicht nur für Lokalpatrioten. Die Honoratioren mit den Gehröcken dürfen also ins Chefzimmer schreiten.
Kunst auf jeder Treppenstufe
2000 Werke umfasst der Bestand der Artothek – aber die können unmöglich alle gleichzeitig in den kleinen Räumen greifbar sein. Trotz Kunst auf jeder Treppenstufe und jener raumsparenden Möbel, die man fast „Grabbelkisten“ nennen möchte – wäre das nicht zu viel zu despektierlich. Im Obergeschoss lehnen gleich im halben Dutzend mondäne Schönheiten im Stil Tamara de Lempickas. Wäre sicher was für die Räume einer Modezeitschrift.
Aber da ist ja ein Keith Haring, dessen gewaltige Plastik vor dem Schloss Oberhausen sicher viele vermissen! „Das ist aber nur ein Druck – unsigniert.“ Die Leiterin der Artothek sagt’s und nimmt gerne das Pop-bunte Prachtstück von der Wand. Wenn jetzt der Blick mal abschweifen will vom PC, haben die kahlen Platanen am Saporishja-Platz ernsthafte Konkurrenz. Mögen die Kollegen noch so lästern über „Keiths Käse-Keil“.
Einmal im Monat gibt’s freie Auswahl
Zu den Schätzen der Artothek zählen auch Blätter von Richter und Picasso. Doch ganz gleich ob internationale Berühmtheit oder lokal bekannter Künstler: die Leihgebühr ist stets dieselbe.
Für elf Euro darf man ein Werk für drei Monate mit nach Hause (oder ins Büro) nehmen; für 22 Euro „gehört“ einem das Kunst-Stück für ein halbes Jahr. Die Gebühren decken die Kosten für die Versicherung. Der Leihvertrag ist denkbar unkompliziert: Ausweis und Unterschrift genügen.
Wichtig ist das große „K“ auf den Rückseiten vieler Bilder: Es signalisiert, dass man dieses Werk kaufen kann. Das freut jene Künstler, die der Artothek gerne Arbeiten zur Verfügung stellen.
Die Artothek öffnet an jedem ersten Donnerstag im Monat.