Oberhausen. . Der erste Centro-Geschäftsführer Michael Grundmann erinnert sich im Interview an die Anfänge. Ein Gespräch über Erinnerungen, das Heute und das Morgen
- Bürger sollten das Centro nach 20 Jahren endlich als Teil ihrer Stadt betrachten
- Entwicklung des Stahlwerksgeländes gegenüber des Centros bedauert er
- Erinnerung an die Eröffnung 1996: Selbst die Hamburger waren ausverkauft
Michael Grundmann hat viele Jahre mit dem und im Centro verbracht, er war von der Planungs- über die Bauphase bis hin zu den ersten Jahren hautnah dabei und war der erste Geschäftsführer der neuen Oberhausener Shoppingmall. Ein Gespräch über Damals und Heute.
Gehen Sie zum Shoppen ins Centro?
Michael Grundmann: Ja, aber es gelingt mir nie ganz, nur zu shoppen. Ich sehe nach wie vor, wo Tätigkeitsbedarf wäre. Ich habe mir abtrainiert, Papier aufzuheben und jemanden zu sagen: Wischen Sie bitte dort das Eis weg.
Sie haben im Jahr 2008 als Centro-Geschäftsführer aufgehört. Was haben Sie seitdem gemacht?
Grundmann: Ich war in den letzten fünf, sechs Jahren als Berater für Shoppingcenter tätig. In Moskau, Lissabon, Helsinki. Das Centro war dabei ein gutes Sprungbrett, man kennt es in Europa. In den letzten zwei Jahren ist mir die Reiserei aber zu anstrengend geworden. Jetzt berate ich eher Einzelhändler. Ich würde auch ganze Fußgängerzonen und Citymanagements beraten.
Auch in Oberhausen?
Grundmann: Mich hat kürzlich jemand gefragt: Warum willst du das machen? Und ich sagte: Vielleicht aus Reue (lacht).
Welche Empfehlungen hätten Sie denn für die Marktstraße?
Grundmann: Die Marktstraße hat schon vor dem Centro Probleme gehabt. Viele Menschen haben schon früher gesagt: Wir brauchen mal einen guten Wintermantel, da fahren wir nach Essen oder Mülheim. Natürlich tut so ein Centro einer Einkaufszone nie gut. Aber ihm den alleinigen Niedergang zuzuschreiben, wäre wirklich falsch. Die Marktstraße hat etwa 500 Eigentümer, die in ganz Deutschland verteilt sitzen oder sie verjubeln ihre Rendite auf Mallorca. Denen ist leider Gottes die Stadt ziemlich egal.
Was braucht die Marktstraße?
Grundmann: An beiden Seiten eine Verkürzung, sie ist zu lang. Das ist seit mehr als 20 Jahren ein Thema in Oberhausen. Sie braucht einen Rückbau, generationengerechte Wohnungen und einen mittelpreisigen Wohnungsbau. So wichtig der soziale Wohnungsbau ist, brauchen wir auch einen mittelpreisigen Bau, weil wir sonst gar nicht die Leute hierher bekommen, die dann wiederum in besseren Geschäften einkaufen würden. Man müsste einen Masterplan entwerfen – mit städtebaulichen Maßnahmen, vielleicht müsste man Teile der Marktstraße auch wieder für den Autoverkehr freigeben. Kunden mögen das. Ein Beispiel: Wenn man Kunden fragt, warum sie ins Centro kommen, sagen sie: Hier ist es sauber, hier ist es sicher, hier können wir parken. Damit kann man punkten, denn das Warenangebot ist immer vergleichbarer geworden. Also muss man mehr Erlebniseinkauf und mehr Service bieten.
Würde das Centro in Helsinki funktionieren?
Grundmann: Nein, für Helsinki ist es zu luxuriös. Das Centro ist damals ganz bewusst nicht als Vollsortimenter wie das Bero Zentrum angelegt worden. Es ist für Touristen konzipiert worden. Die wollen keinen Kartoffelsack, sondern Schmuck, Uhren, Mode. Das ist aufgegangen. Der Anteil an Touristen beträgt 60 bis 70 Prozent. Diese Menschen gehen also der Marktstraße nicht verloren, denn sie wären ohne das Centro gar nicht hier. Der echte Konkurrent zur Marktstraße ist das Bero Center.
Woher kommen denn diese 60, 70 Prozent der Besucher?
Grundmann: Aus ganz Deutschland, aus Belgien, England, Holland. Das Centro hat in diesen Ländern auch viel Werbung gemacht, sogar auf englischen Fähren.
Wo liegt die Stärke des Centros?
Grundmann: Ein Shoppingcenter ist einfacher zu managen als eine Einkaufszone. In der Einkaufszone macht jeder sein Ding. In einem Shoppingcenter gibt es so etwas wie eine Gestaltungs- und Betreibersatzung, da gibt man vor, ob die Kleiderständer im oder vor dem Laden stehen dürfen, wie die Öffnungszeiten oder die Reklame sein sollen. Eine weitere Stärke: Das Centro hat es von Beginn an verstanden, sich auf Kundenwünsche einzustellen, Service zu bieten. Wir hatten am Anfang sogar eine eigene Centro-Akademie, um unsere Leute auf Freundlichkeit zu schulen. Wir haben auch schon verwirrte holländische Omas mit unseren Security-Fahrzeugen nach Venlo gebracht und wieder in den Reisebus gesetzt. Damit schaffen Sie eine Kundenbindung.
Wo muss nachgebessert werden?
Grundmann: In den ersten Jahren war der Branchenmix zu jung – und vielleicht auch etwas zu günstig. Das haben wir früh erkannt und nachjustiert. Heute ist der Branchenmix so, dass da jeder alles kaufen kann. Eine Schwäche ist sicherlich die in die Jahre gekommene Coca-Cola-Oase, die aber im nächsten Jahr renoviert werden soll. Und es gibt eine systemimmanente Schwäche von Shoppingcentern: Sie haben zu wenig Individualisten. Andererseits brauchen sie die großen Ketten, um die Kunden anzulocken. Es ist etwas schade, dass die Center so konform sind. Aber das ist bei den Einkaufsstraßen ebenso. Die Filialisten werden erwartet. Letztlich bestimmt der Kunde der Betriebsform.
Vervollständigen Sie bitte folgenden Satz: Die Oberhausen sollten das Centro....
Grundmann:.....nach 20 Jahren endlich als Teil ihrer Stadt betrachten, sollten aufhören, intern andere Dinge übers Centro zu erzählen als extern. Nach dem Motto, wenn Tante Klara kommt, zeigen wir stolz das Centro, ansonsten lästern wir darüber. Die Oberhausener sollten dankbar sein, dass es damals Leute mit viel Weitsicht gegeben hat, die die Vision hatten, aus dieser grauen Maus mit fast einer Milliarde Investitionsvolumen eine „Rennmaus“ zu machen.
Manch einer wünscht sich einen Lebensmittelladen – wie einst Charlys Farm – zurück.
Grundmann: Ein Lebensmittelladen ist Teil eines Vollsortimenters, dafür steht das Centro nicht. Im Übrigen: Der Durchschnittsbon lag bei zwei Euro - weil von Touristen eine Cola und eine Packung Kaugummi gekauft worden ist.
Im Limbecker Platz in Essen funktioniert das...
Grundmann: Ja, aber aus einem anderen Grund: Es ist ein urban integriertes Center in oder am Ende der Fußgängerzone. Das Centro ist eher ein Stadtrandcenter.
Welche Rolle spielen die Freizeitangebote rund ums Centro?
Grundmann: Eine große. Aber: Ich würde aus meiner persönlichen Sicht heute keine Doppelstöckigkeit auf der Promenade empfehlen. Gastronomie in der oberen Etage läuft nicht. Die Leute wollen unten auf der Promenade sitzen. Sealife war ein toller Mosaikstein. Da muss man weitermachen. Umso mehr bedaure ich die Entwicklung auf dem Gelände gegenüber. Hier sind viele Fehler gemacht worden, das Gelände ist ohne konkrete Idee an eine irische Firma verkauft worden. Die wiederum haben sich nicht auf nichts festlegen lassen, denen ist es völlig egal, ob da noch ein Spielcasino oder ein Baumarkt kommt.
Welche Vorschläge hätten Sie für das ehemalige Stahlwerksgelände?
Grundmann: Ich hatte mit anderen Investoren Pläne, dort eine Autostadt wie in Wolfsburg oder Stuttgart zu bauen. Da gab es die Idee, Autos in Glasregale zu stellen und zu beleuchten, eine Offroad-Strecke und eine Go-Kart-Bahn zu bauen, den Verkehrskindergarten anzusiedeln, ein Oldtimer-Museum zu installieren. Umsicht hätte Hybrid- oder Solarforschung betreiben können. Und auch das armselige Straßenverkehrsamt hätte dort einen Platz gefunden. So ist es jetzt ein Gewerbegebiet wie es tausend andere Städte auch haben. Es wird keinen Menschen nach Oberhausen locken. Es fehlt in Oberhausen der Mut, groß zu denken. Mit dem Erfolg des Centros wäre ich insgesamt selbstbewusster nach außen gegangen.
Wie war die Eröffnung des Centros am 12.9.1996?
Grundmann: 14 Tage vor der Eröffnung hatte die Führungscrew Feldbetten in den Büros. Ich habe mich zehn Tage von Fast Food ernährt. Am ersten Tag waren 140 000 Menschen da – die Türen gingen nicht mehr auf. Weil Menschen drohten, durch Schaufensterscheiben gedrückt zu werden, mussten wir die Mall für eineinhalb Stunden schließen. Einmalig in der Geschichte von McDonalds: Keine Hamburger mehr da! Ausverkauft!
Gibt es eigentlich das perfekte Einkaufszentrum?
Grundmann: Es gibt einige in England, es gibt fantastische Malls in Singapur, in Dubai und Abu Dhabi. Die setzen inzwischen nochmal eine Nummer drauf. In Moskau gibt es die einzige Mall, die ich je gesehen habe, wo Sie in eineinhalb Stunden einen Ferrari kaufen können – zugelassen und vollgetankt. Es gibt Center mit eigenen Krankenstationen. Aber: Man muss diese Entwicklung auch kritisch sehen. Solche Center übernehmen eine urbane Funktion und können dann wirklich zu einer Bedrohung gewachsener Strukturen werden.
Ist die Ausrichtung des Centros auf Familien und auf Erlebniseinkauf aus Ihrer Sicht richtig?
Grundmann: Ja. Es gibt für solche Center mehrere soziologische Cluster: Da gibt es die sogenannten „Mall Rats“, die 16-Jährigen, die rumhängen, aber nichts konsumieren. Es gibt die OWWD - Old Woman with Dog, als Kundengruppe relativ irrelevant. Es gibt die Rentner und die „Double Income - No Kids“ – die sind als Kundengruppe relevant. Aber die Fokusgruppe im Centro sind mittelständische, mittelalte Familien mit zwei Kindern. Die machen sich einen netten Tag. Was ich etwas vermisse, ist das Thema „Verrückt sein“.
Inwiefern?
Grundmann: Wir waren damals verrückt, hatten damals eine Modenschau mit Roncalli-Artisten im Mitteldom, Bungee-Springen aus der Kuppel heraus, Box-Trainings mit Dariusz Michalczewski, wir haben eine Schanzentournee veranstaltet mit 80 Meter langer Kunstschneeschanze. Das war im Ruhrgebiet damals eine Sensation.
Das Gespräch führte
Denise Ludwig