Das Centro-Projekt machte Oberhausen erst misstrauisch
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Oberhausen. . Bei der ersten geheimen Vorstellung des Centro-Projekts sahen die Chancen auf Realisierung des Einkaufszentrums in Oberhausen gar nicht gut aus.
Manchmal entscheiden ja Kleinigkeiten, ob große Sachen Wirklichkeit werden. Zwei Wochen nach seiner Wahl zum Oberstadtdirektor – mit 39 Jahren der jüngste in NRW – lud die legendäre Landesbank WestLB Burkhard Drescher in die Düsseldorfer Messe. Die war nach dem Aus für das geplante größte Einkaufs- und Vergnügungszentrum der Welt, Triple Five, auf der Suche nach einem Industrie-Investor für das immer noch brach liegende Thyssen-Krupp-Gelände an der Essener Straße in Oberhausen. Doch weder Volvo noch Heidelberger Druckmaschinen bissen an.
Da zelebrierte ein britischer Investor namens Eddie Healey eine Präsentation für Immobilienfachleute, die Drescher beeindruckte, aber auch misstrauisch machte: „Die haben so eine unglaubliche Show abgezogen mit Satelliten-Liveschaltungen nach Los Angeles, London und New York mit beispielhaften Projekten, weil die ja nicht nur ein Einkaufszentrum, sondern Tennishallen, eine Marina, eine Arena und so fort bauen wollten.“
Erinnerung an das Triple-Five-Desaster
Vielleicht noch geschockt von der Erinnerung an das Triple-Five-Desaster (Schlagzeile damals: „Das neunte Weltwunder findet nicht statt“) befand Drescher mit mulmigen Bauchgefühl: „Das ist doch für Oberhausen eine Nummer zu groß. Das kann nichts werden.“
23 Mio Besucher pro Jahr
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Der 1990 vom Niederrhein nach Oberhausen gekommene Sozialdemokrat mit dem Ruf eines Machers hatte wohl auch schon das damals herrschende Depri-Klima in der Stadt erkannt: 50.000 Industriearbeitsplätze in den Branchen Kohle und Stahl in den 80er Jahren verloren, die jüngste Schließung der Kokerei und das baldige Aus der Zeche Osterfeld – „die Stimmung war defätistisch, man sah einfach keine Perspektive mehr, und wir wussten alle, wir müssen unbedingt etwas tun“, sagt Drescher heute, der gerade als Geschäftsführer „Innovation City Ruhr“ in Bottrop die nächste Stufe des Strukturwandels anpackt.
"Wenn das in Sheffield hingehauen hat, klappt das auch bei uns"
Zum Glück entschloss sich der Investor Healey, Drescher einfach mal zu seinem Vorzeigeprojekt „Meadowhall Shopping Centre“ mit 290 Geschäften in das einstige britische Stahlzentrum Sheffield zu führen. Healey ahnte wohl: Wenn man noch nicht einmal den Rathaus-Chef von Oberhausen überzeugen kann, dann wird das nichts mit all den schönen und lukrativen Investitionsplänen.
Das Einkaufszentrum liegt etwas außerhalb im Nordosten der Eine-Million-Einwohner-Stadt und hatte eine Schließungswelle vieler Stahlwerke hinter sich. „Wir sind da eine halbe Stunde durch trostlose Reste früherer Stahlproduktionsstätten gefahren, ehe wir in der Shoppingmall ankamen. Da habe ich umgedacht: Wenn das hier in Sheffield hingehauen hat, dann klappt das auch bei uns.“
Centro Oberhausen von oben
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Im Oberhausener Rathaus begann man zu planen, erst im Geheimen. Nur Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond, SPD-Fraktionschef Michael Groschek, SPD-Chef Dieter Schanz und der legendäre NRW-Finanzminister und IG-Metaller Heinz Schleußer waren eingeweiht. Der Düsseldorfer Stadtplaner Kuhn entwickelt das Konzept fürs gesamte Riesenareal vom TZU über das Olga-Gelände bis Osterfeld. Die Vision von Oberhausen stand: „Wir wollten die Neue Mitte unserer Stadt planen, die eigentlich auf dem Gelände des alten Kerns von Oberhausen steht, um den die Stadt herumgebaut wurde: die Gutehoffnungshütte. Wir wollten nicht nur ein Einkaufszentrum, sondern ein ganzes Stadtviertel mit Shopping, Freizeit, Wohnen.“
Etwas ganz Neues wagen
Die im Nachhinein entscheidende Erkenntnis war: Oberhausen kann nicht mehr eine Monostruktur durch eine andere ersetzen, die Montanindustrie durch Druckmaschinen-Produktion, sondern muss etwas ganz Neues riskieren: „Der gewagte Sprung war, dass wir auf Städtetourismus setzen wollten“, sagte Drescher. Tourismus in der Industrieregion Ruhrgebiet? Nicht wenige hätten damals gedacht, das sei doch völlig absurd. Anfang der 90er Jahre übernachteten übrigens nur 100.000 Besucher im Jahr in Oberhausen, jetzt sind es 460.000.
Das Berufsleben von Burkhard Drescher
Der heute 65-jährige Burkhard Drescher arbeitete von 1990 bis 2004 für die Stadt Oberhausen. Er war erst Stadtdirektor, ab 1991 Oberstadtdirektor, ab 1997 Oberbürgermeister – als Nachfolger von Friedhelm van den Mond. 2004 verzichtete Drescher auf eine erneute Kandidatur als OB – und wurde Vorstand der RAG Immobilien AG. Von 2006 bis 2009 war Drescher Vorstandschef der börsennotierten Wohnungsbaugesellschaft Gagfah Group. Er machte sich als Immobilienprojektberater mit der BDC-Consulting selbstständig – und ist seit 2011 Geschäftsführer der Innovation City GmbH.
Drescher ist in Neuss geboren, war Chemotechniker bei Bayer, studierte Wirtschaftswissenschaften, Chemie und Politik. Von 1980 bis 1987 arbeitete er als Lehrer.
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