Oberhausen. . Das kanadische Unternehmen „Triple Five“ wollte das World Tourist Center in Oberhausen errichten. Ein Projekt, das auf heftige Gegenwehr stieß.
Es war ein Schock für die Stadtgesellschaft, als die Thyssen-Stahl AG 1987 den Abbau von weiteren 3000 Arbeitsplätzen in Oberhausen und die weitgehende Stilllegung der Eisen- und Stahlproduktion an der Essener Straße ankündigte. Tausende Arbeitsplätze waren in diesem Wirtschaftszweig bereits seit 1961 in der Stadt weggefallen und nun dieser Schlag. Das rund 143 Hektar große Gelände der Gutehoffnungshütte zwischen Rhein-Herne-Kanal und Essener Straße drohte zur Industrieruine zu verkommen, zur öden Brache, die Arbeitslosenquote überstieg 17 Prozent.
In diese Situation platzte 1988 die Nachricht, dass die reiche armenische Familie Ghermezian, ehemals aus dem Iran nach Kanada eingewandert, sich für das Areal interessiere. Deren Firma „Triple Five“ plante in Oberhausen nichts Geringeres als das größte Einkaufs- und Vergnügungszentrum der Welt, das World Tourist Center (WTC), für das als Blaupause die „West Edmonton Mall“ im kanadischen Edmonton dienen sollte. Begriffe wie „Weltwunder“ und „Superhausen“ fanden den Weg in die Schlagzeilen, was da in Aussicht stand, präsentierte sich gigantisch: Die Ghermezians rechneten mit 3,3 Milliarden D-Mark Investitionsvolumen, 25 000 neuen Dauer-Arbeitsplätzen, einem jährlichen Umsatz von drei bis fünf Milliarden D-Mark und 25 Millionen Besuchern pro Jahr.
23 Mio Besucher pro Jahr
Der damalige WAZ-Redaktionsleiter Hans-Walter Scheffler schilderte im Jahrbuch von 1990 die Pläne, wie sie einer Oberhausener Delegation in Kanada am Vorbild „Edmonton Mall“ Ende 1988 vorgestellt wurden: „Auf rund 600 000 Quadratmetern überdachter Fläche soll eine einzigartige Verbindung von Vergnügungspark und Einkaufsmöglichkeiten geschaffen werden. Dazu gehören vier Hotels, davon eines in einem Marinezentrum am Rhein-Herne-Kanal, Kaufhäuser auf 130 000 Quadratmetern, kleinere Geschäfte auf 145 000 Quadratmetern, ein Amphitheater, ein Handels- und Wissenschaftszentrum, ein Industriemuseum, Kinos, Nachtclubs, ein Wasserpark mit Delphinshow und Aquarien, ein Eispalast, ein europäisches Disneyland, ein Spielkasino und ein Kongresszentrum“, schreibt Scheffler.
Historische Chance für das Revier
Nach dem Besuch in Kanada spricht Michael Groschek, damals SPD-Fraktionsvorsitzender im Oberhausener Stadtrat, ebenda von einer historischen Chance für das Revier. Im April 1989 stellt „Triple Five“ das Konzept für das World Tourist Center im Düsseldorfer Wirtschaftsministerium vor, Raphael Ghermezian erläutert am 14. April 1989 das Projekt bei einer Sondersitzung des Rates vor 400 Zuhörern. In diesem Zusammenhang wird immer deutlicher, dass die Investoren einige, zu viele Risiken, auf den Staat abwälzen wollen, steuerliche Vorteile und Subventionen einfordern. Ein Grund, warum die Landesregierung unter Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) und auch die Fraktionen im Landtag im Juni 1989 ihre Zustimmung zu dem Vorhaben verweigern und das WTC damit beerdigt ist.
Ein weiterer Grund sind die zum Teil heftigen Abwehrreaktionen in den Oberhausener Nachbarstädten, die eine Verödung ihrer Innenstädte und den Abfluss von Kaufkraft befürchten. Auch die Händler sind dagegen, Scheffler zitiert den NRW-Einzelhandelsverband, der vor „mehr als einem Konflikt zwischen Oberhausen und dem Rest der Welt“ warnt. Auch die von der Landesregierung bestellten Gutachter kommen zu dem Schluss, dass das Projekt landesplanerisch nicht genehmigungsfähig sei, es sei überdimensioniert, ökologisch, ökonomisch und touristisch zweifelhaft.
Was dann ab 1991 tatsächlich auf den Weg gebracht wurde, ist ein paar Nummern kleiner – und vielleicht wäre das Centro ohne das Scheitern von Triple Five nicht möglich geworden, mutmaßen die Autoren Magnus Dellwig und Ernst-Joachim Richter in Band vier der Oberhausener Stadtgeschichte.
Die Neue Mitte ist verträglicher für die Nachbarn
Das Scheitern von Triple Five hatte auch den Vorteil, dass das Oberhausener Areal bei möglichen Investoren bekannt geworden war. Die Landesregierung hatte Nein zum WTC gesagt, wollte das Gelände aber für die Wirtschaftsförderung sichern, eine Aufteilung und wenig wertschöpfende Nutzung verhindern. Allerdings sei schon seit der deutschen Einheit 1990 klar gewesen, schreiben Magnus Dellwig und Ernst-Joachim Richter in Band vier der Stadtgeschichte, dass eine große Industrieansiedlung künftig unwahrscheinlich sei, weil Unternehmen die neuen Bundesländer oder Osteuropa bevorzugen würden.
Nach den Erfahrungen mit Triple Five kam es einer Sensation gleich, dass sich 1991 die britische Investorengruppe für Shopping- und Dienstleistungsimmobilien Stadium unter Leitung von Eddie Healey für den Standort Oberhausen interessierte. 1992 wurden bereits Kaufverträge geschlossen: Für 20 Millionen DM ging das Grundstück ans Land, von städtischen Beteiligungen als Zwischeneigentümer dann zum Preis von 60 Millionen DM an Stadium. 148 Millionen DM waren als Kosten für die Aufbereitung der Brache veranschlagt.
Projekt "Neue Mitte" fand Akzeptanz
Hans-Walter Scheffler zitiert im Jahrbuch ‘93 aus der Präambel zu den Kaufverträgen: „Die Stadt Oberhausen strebt an, als Verbindung zwischen den Stadtteilen Alt-OB und Osterfeld eine neue Ortsmitte entstehen zu lassen. Das Thyssen-Gelände soll den Kernbereich des neuen Stadtteils bilden. Die Planungsabsichten der Stadt Oberhausen zielen auf die Errichtung eines gestalteten Stadtteils mit Grünzügen, Parkanlagen, Arkaden und Innenhöfen, der Dienstleistungs-, Büro-, Freizeit-, Sport-, Gastronomie- und Unterhaltungsbereiche, Hotels, Medienpark sowie Einkaufsmöglichkeiten umfasst.“ Auch Wohnbebauung sollte dazugehören.
Auf dieser Grundlage fand das Projekt „Neue Mitte“ Akzeptanz, auch bei denen, die sich gegen das WTC gestemmt hatten. Dellwig/Richter: „Das Projekt Centro wurde kleiner, stadt- und regionalverträglicher, vor allem aber bunter, vielseitiger und städtebaulich besser in die Stadtlandschaft [...] integriert.“ Dass es nicht scheiterte, liegt nach Ansicht des damaligen Oberstadtdirektors und späteren Oberbürgermeisters Burkhard Drescher auch an der Geheimhaltung in der Anfangsphase und der später umso stärkeren Kommunikation.