Oberhausen. . Betrugs-Vorwurf: Strafrechtler Udo Vetter hält Vorermittlungen für erforderlich. Ex-Betriebsrat empört
Mit Empörung reagiert jetzt Bernd Borgards, gekündigter XXXL-Rück-Betriebsratschef, auf die Stellungnahme von Konzern-Sprecher Julian Viering zur Betrugsanzeige gegen die Möbelhauskette. Außerdem hält der Düsseldorfer Strafrechtler Udo Vetter die Aufnahme von Vorermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Duisburg in dem Fall für unumgänglich. Die Anklagebehörde hatte die Strafanzeige bereits nach zehn Tagen als haltlos zurückgewiesen.
Viering hatte der Redaktion erklärt, es habe ein Interessenausgleichsverfahren zur damaligen Betriebsschließung beim gekauften Möbelhaus Rück gegeben.
Borgards Meinung
Nun entgegnet Borgards: „Richtig ist, dass ein Verfahren von Seiten des Arbeitgebers angestrengt wurde. Aber das Gremium unter Vorsitz eines Bundesarbeitsrichters kam zu der Feststellung, dass es sich nicht um eine Betriebsschließung handelt, sondern um einen Betriebsübergang.“ Damit sei das Verfahren eingestellt worden. Die Einigungsstelle sei erst nach der Schließung angerufen worden, obwohl es Pflicht von XXXL gewesen wäre, dies vorher zu tun. Borgards: „Wir wurden überrollt.“
Zu dem von Viering angesprochenen Sozialplan bemerkt der Ex-Betriebsratsvorsitzende: „Es gab ihn nur für die Abwicklung der Verwaltung in Buschhausen und somit für rund 100 der etwa 160 betroffenen Mitarbeiter in Buschhausen.“
Vergleiche mit XXXL hätten nur diejenigen Mitarbeiter abgeschlossen, die keine Rechtsschutzversicherung hatten, kurz vor der Rente standen oder schon einen neuen Job in Aussicht hatten.
Die Urteile des Arbeitsgerichts
Von 28 Urteilen des Arbeitsgerichts Oberhausen seien nur zwei zugunsten des Arbeitgebers ausgegangen. „Und das auch nur, weil die Anwälte der Gekündigten formale Fehler begangen haben, sich in dem Dschungel der rund 500 XXXL-Gesellschaften europaweit verirrt und die falsche Gesellschaft verklagt hatten.“ Bernd Borgards geht davon aus, dass diese formalen Fehler in der zweiten Instanz geheilt werden können.
In einem Punkt stimmt er dem XXXL-Sprecher aber zu: „Die Hintergründe des nach meiner Ansicht rücksichtslosen und gesetzwidrigen Vorgehens haben in der Tat in den Verfahren vor dem Arbeitsgericht keine Rolle gespielt.“ Dort sei es nur um die jeweiligen Arbeitsverträge gegangen.
„Deshalb begrüße ich, wenn es an anderer Stelle zu einer Aufarbeitung dieser Vorgänge kommen würde.“ Damit spielt Borgards auf die Strafanzeige gegen die XXXL-Gruppe an, die von der Staatsanwaltschaft abgeschmettert wurde.
Ausstieg leicht gemacht
Zu diesem Vorgehen der Duisburger Staatsanwälte sagt Strafrechtler Udo Vetter auf Anfrage: „Ganz offensichtlich hat sich die Behörde mit dem Inhalt der Anzeige nicht hinreichend auseinandergesetzt.“ Schon aufgrund der schlüssigen Darstellung seien eigentlich Vorermittlungen nötig gewesen. Dafür spreche die problematische Klausel für den Ausstieg aus dem Vertrag. Der mit dem Möbelvertrieb beauftragten neuen Tochterfirma konnte binnen 14 Tagen die Existenzgrundlage entzogen werden. Folge war, dass Mitarbeitern betriebsbedingt und ohne Sozialausgleich gekündigt werden konnte.
Vetter: „Es hätte geprüft werden müssen, ob ein Anfangsverdacht auf eine strafbare Handlung vorliegt, der umfangreiche Ermittlungen rechtfertigt.“ Stütze sich doch die Kündigungsklausel mit ihrer „absurd kurzen Kündigungsfrist“ auf eine für Tagelöhner gedachte Regelung. „Dass die Anzeigenerstatter kurzerhand so abgewatscht wurden, deutet auf eine grundlegende Unlust der Staatsanwälte hin, sich damit zu beschäftigen.“