Oberhausen. Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gestalten ein ausgefallenes Konzert. Chor und Ensemble aus einem Kölner Flüchtlingsheim musizieren.
Musik kann besser als Sprache gemeinsame Wurzeln aufzeigen. Das machte jetzt ein Konzertexperiment im Gasometer deutlich: „Unter gleichem Himmel. Klangreise zwischen Abend- und Morgenland“ lautete sein Titel. Damit wurde am Samstag die Reihe der Sommerveranstaltungen im Gasometer eröffnet. Zahlreiche profilierte Künstler mit und ohne Zuwanderungsgeschichte hatte der Kölner Kirchenmusiker Wilfried Kaets für sein klangvolles Fest der Religionen unter dem Dach des stählernen Riesen zusammengebracht. Er demonstrierte damit die nahe Verwandtschaft von jüdischer, christlicher und islamischer Musik.
Zwischen dem 7. und dem 12. Jahrhundert ist die überwiegend einstimmige Musik entstanden, als alle drei großen Religionen bereits existierten, die heute für so schwerwiegende Konflikte in der Welt sorgen. „Kennzeichnend ist ihre am menschlichen Atem orientierte Linienführung“, beschreibt Wilfried Kaets das Gemeinsame daran.
Den Auftakt vor rund 450 Zuhörern machte Kaets’ Komposition „Magnificat I“, ein christlicher Lobgesang im Stil eines gregorianischen Chorals – vorgetragen vom Kölner Rochus-Chor. Eingeleitet wurde er freilich vom Kult-Instrument der Gegenwart, der elektrisch verzerrten Gitarre, und begleitet von orientalisch anmutenden Saxofon- und Klarinettenklängen.
Instrumente aus aller Welt
Durch kurze Zwischenspiele einzelner Solisten entstand beim Zuhörer der Eindruck, als handele es sich bis zur Pause um ein durchgehendes Musikstück. Dabei war der Lobgesang auf Jahwe, den jüdischen Gott, nur das erste kurze Zwischenspiel, eine eigenständige Komposition also, vorgetragen von dem in Moskau ausgebildeten jüdischen Tenor Aron Proujanski, Mitglied des Kölner Rundfunkchores.
Er führte über zu dem Stück „Der Kreis des Lebens“ des türkischen Komponisten Erdal Aslan, ein Stück, bei dem Aslan selbst die Saz, die türkische Mandoline, spielte. Daran wirkten aber ebenso die jüdische Klezmer-Klarinette, gespielt von Markus Zaja, und die irakische Kniegeige (gespielt von Bassem Hawar) mit.
Wilfried Kaets ist es in den letzten Jahren in Köln gelungen, musikalische Brücken zwischen den Kulturen zu schlagen. Dazu bietet er zugewanderten Künstlern Auftrittsmöglichkeiten, damit sie hier besser Tritt fassen. So auch Bassem Hawar, vormals Musikdozent in Bagdad, der, so Kaets, nach Deutschland gegangen sei, weil eine zunehmend orthodoxe Auslegung des Islam ihn daheim künstlerisch immer mehr einschränke.
Zusammenführen der drei Kulturen
„Eine ganz tolle Idee, die wiederholt werden sollte“, zeigte sich in der Pause eine Zuhörerin aus der Nachbarstadt Mülheim begeistert. Ihr hatte es nicht nur die von Weihrauch geschwängerte Kulisse des Gasometers mit der über der Bühne sich gemächlich drehenden Weltkugel angetan, sondern auch die Art des Zusammenführens der drei Kulturen.
Nach der Pause erhielten dann auch ein alevitisches Flüchtlingsensemble und ein multinationaler Flüchtlingschor aus Kölner Flüchtlingsheimen, dirigiert von Erdal Aslan, Gelegenheit, „Unter gleichem Himmel“ zu spielen.