Oberhausen. . Stadtgespräch mit Vertretern von Polizei, Justiz, Stadt und Integrationsrat. Bürger sprechen von ihren Ängsten und Erlebnissen.
Der brutale Raubüberfall auf einen Pizzataxifahrer, Handtaschendiebstähle, Wohnungseinbrüche, Handy-Abzocke – es sind nur einige Beispiele aus den Pressemitteillungen der Polizei in diesem Monat. Da stellt sich die Frage: „Wie sicher fühlen wir uns in Oberhausen?“. Ihr ging das von WAZ, Volkshochschule sowie Arbeit und Leben initiierte Stadtgespräch am Montagabend im Bert-Brecht-Haus nach.
Zerstochene Autoreifen
So unterschiedlich die individuelle Situation der Menschen, so unterschiedlich ist auch ihr Sicherheitsempfinden. Das wurde bei dem von WAZ-Lokalchef Peter Szymaniak moderierten Abend deutlich. Gut 60 überwiegend ältere Oberhausener kamen dazu. Sie äußerten ihre Ängste: Wer Opfer eines Wohnungseinbruchs wurde, fühlt sich zu Hause nicht mehr sicher. Wer von Jugendlichen bedrängt wurde, geht ihnen aus dem Weg. Wem die Autoreifen zerstochen wurden, der fragt, ob es zu wenig Polizeistreifen gibt. Brauchen wir auch ein schärferes Strafrecht? Antworten gaben sechs Experten auf dem Podium.
„Manches, wie etwa das Handy-Abzocken, wurde in der Vergangenheit auf die leichte Schulter genommen“, konstatierte Polizeipräsident Ingolf Möhring. Zugleich wies er darauf hin, dass durch Internet und Medienpräsenz die Nachrichten über Straftaten tagtäglich die Menschen überfluten. „Die Realität in Oberhausen: 2015 hatten wir bei der Straßenkriminalität den zweitniedrigsten Stand der vergangenen zwölf Jahre.“
Gleichstellungsbeauftragte Brittag Costecki berichtete, eine Umfrage unter 75 Frauen habe ergeben, dass 41 Prozent schon mal sexuell belästigt worden seien. „Allerdings kamen nur 12 Prozent davon zur Anzeige, bei Diebstählen sind es über 90 Prozent.“ Viele Frauen hätten erzählt, dass sie Bereiche der City, den Hauptbahnhof oder die Flaßhofstraße mieden.
Angst sichert das Überleben
Eine Beziehung zwischen dem Älterwerden und der Zunahme von Angst und Unsicherheit stellte der Seniorensicherheitsbeauftragte Dieter Nachtigall fest: „Mit 80 sind Abwehr, Gegenwehr und Verfolgung des Täters nicht mehr möglich.“ Von Angst dürfe man sich aber auch nicht leiten lassen. Auf der anderen Seite sichere das Angstgefühl das Überleben.
„Angst haben auch Migranten“, betonte Ercan Telli vom Integrationsrat. Nach den bundesweiten Anschlägen auf Flüchtlingsheime hätte mancher das Gefühl, ein potenzielles Opfer zu sein. Angesichts der Übergriffe in der Kölner Silvesternacht warnte er davor, ganze ethnische Gruppen zu verurteilen. Schuld sei immer individuell. „Und natürlich müssen Täter bestraft werden.“
Grundwerte der Gesellschaft bewahren
Für flexiblere Sanktionsmöglichkeiten sprach sich Amtsgerichtsdirektor Joachim Busch aus. Aber dazu bräuchte es auch mehr Personal. Er teilt den Endruck, dass insbesondere viele Jugendliche den Respekt vor Polizei und Ordnungsdiensten verloren hätten. Den Vorwurf einer „Luschi-Justiz“ wies er, jedenfalls für seinen Amtsbereich, zurück. „Wir handeln angemessen.“ Auch wenn es manchmal Opfern schwer falle, ein Urteil oder einen Freispruch nachzuvollziehen. „Wir sind an Recht und Gesetz gebunden.“
Rechtsdezernent Frank Motschull erinnerte daran, das Eigenverantwortung wichtig sei. Dies gehe beim Thema Vermüllung von Plätzen schon los. „Immer mehr wird der Stadt die Verantwortung zugeschoben.“ Die Doppelstreife von Polizei und Ordnungsdienst hält er für sehr wichtig.
Die angemessene Reaktion auf kriminelle Herausforderungen sei eine permanente Gratwanderung, meinte eine Bürgerin. „Unsere Gesellschaft hat hohe Grundwerte, die gilt es zu bewahren.“