Oberhausen. In Eisenheim feiert Prof. Roland Günter seinen 80. Geburtstag. Seine Leistung sieht er als Ermutiger: „Die Leute waren hilflos vor Autoritäten.“

Aus der vermüllten Wiese wurde ein Park, benannt nach einem Poeten und Drehbuchautor aus der Romagna. Auf den Grundmauern eines im Weltkrieg zerstörten Werkskindergartens entstand „das blaue Haus der vielen Bücher“. In ihrer innigen Verbindung von öffentlich und privat sind Tonino-Guerra-Park und das Werkbund-Archiv die sichtbarsten Zeichen: Hier wirken Janne und Roland Günter. Der als „Retter von Eisenheim“ bekannte Kunst- und Kulturhistoriker feiert am 21. April seinen 80. Geburtstag.

Das heißt, groß gefeiert wird erst im Juni, wenn die Chancen besser stehen für eine gelungene Gartenparty. Schließlich wohnt das Ehe- und Schriftstellerpaar Günter nicht im blauen Literatur-Turm, sondern in einem Eisenheimer Siedlungshaus, also auf kleiner Grundfläche.

„Von 60 Büchern“, betont Roland Günter, „haben Janne und ich wenigstens 20 zusammen geschrieben. Jetzt schreiben wir unsere Biografien.“ Ebenfalls zusammen? Lachen. „Nein, aber Sie können sie ja gleichzeitig lesen.

Entscheidung für Eisenheim war nicht leicht

Mit schmalen Broschüren – für die sich die Eheleute keineswegs zu fein sind – ist aber nicht zu rechnen. Der jüngste, 2015 erschienene Klartext-Band des Vielschreibers trägt den bösen Titel: „Vom Elend der Denkmalpflege und der Stadtplanung.“ Dabei hat er doch ein Leben lang nach Kräften dafür gewirkt, dieses „Elend“ zu beheben.

„Wir müssen da hinziehen, sonst ist die Siedlung verloren“, so zitiert Janne Günter ihren Mann, als 1974 die Entscheidung anstand: Eisenheim nicht nur bauhistorisch und soziologisch zu erforschen, hier nicht nur die erste Siedlungs-Initiative ins Leben zu rufen – sondern selbst hier zu leben. Ganz leicht fiel die Entscheidung nicht. „Wir haben in Bonn wunderbar gewohnt.“ Janne Günter ergänzt prompt: „Die Leute haben es uns leicht gemacht.“ Der bildungsbürgerlichen Hamburger Zeit war dieser Umzug einer vierköpfigen Familie innerhalb des Rheinlandes ein ganzseitiger Artikel wert: „Professor in der Arbeitersiedlung“.

Rückblickend spricht der emeritierte Professor von einer „Finsternis ohnegleichen: Die Leute waren hilflos vor Autoritäten.“ Daraus wurde ein Aufstand mit Quartierrat im besetzten Waschhaus, dessen Funke zu hunderten gefährdeter Kolonien überspringen sollte.

Poetisierung statt Gentrifizierung

„Es war ein wunderbarer Zusammenhalt.“ In Zahlen dokumentiert sich für die beiden passionierten Archivare der bis 1977 geführte Kampf um Eisenheim so: 600 Artikel in den Oberhausener Zeitungen, 200 in der überregionalen Presse, dazu 60 Fernseh-Beiträge. Roland Günter meint sogar: „Mit den Studiengruppen hier hat der Ruhrtourismus angefangen.“

Und heute? Wie besteht eine Arbeitersiedlung ohne Arbeiter? „Diese Siedlung hat sich weiter entwickelt“, sagt Roland Günter, „nicht zerstörerisch“. Unter den tausend geretteten Kolonien im Revier sei Eisenheim „die am besten aufgestellte“. Von der Malocher- zur Künstler-Kolonie: mit Musikern, Theaterleuten, Literaten.

„Unser Horizont ist nicht nur Eisenheim“, betont der Gelehrte, der die Anrede „Professor“ schon in allen Spielarten hörte – von respektvoll bis genervt. Brutale Abrisspläne gab es vor 50 bis 40 Jahren selbst im Grachten-Idyll von Amsterdam. Auch dort schlug sich Günter mit der Sanierungsbehörde. Heute genießt das Paar seinen Triumph – meist für eine Woche im Monat – in einer kleinen Amsterdamer Zweitwohnung. Sie wäre inzwischen wohl unbezahlbar, denn das damals „kaputte alte Weberviertel“ Jordaan ist gründlich gentrifiziert.

„Poetisierung“, sagt Janne Günter, sei der bessere Weg, um alte Quartiere zukunftsfähig zu machen. Dafür steht in Eisenheim der nach dem verehrten Poeten Tonino Guerra benannte Park. Die Skulpturen und skulpturalen Bänke schuf Janne und Roland Günters jüngere Tochter Birgitta Lancé.