Essen-Rüttenscheid. . Serdar Somuncu ist zwei Abende hintereinander im ausverkauften Katakombentheater zu Gast: Dabei beleidigt er wie gewohnt alle und „hasst aufrichtig“.

  • „Der Hassist“ spielte im Katakombentheater
  • Das Publikum will es schonungslos: Zwei Abende ausverkauft
  • Bei dem Kabarettkonzert stänkerte Somuncu gegen alle

Serdar Somuncu macht gleich zu Beginn seines Auftritts im Katakombentheater unmissverständlich klar, dass es ein ungemütlicher Abend wird: derbe Beschimpfungen, aufrichtigen Hass und schonungslose Gesellschaftskritik hat der selbst ernannte „Hassias“ mitgebracht und das schon in seinem ersten Song.

Sein Publikum, das in den folgenden zwei Stunden ebenso wie die Band, Lichttechniker, Schwule, Juden, AFD, Kurden, Türken, Deutsche, Jörg Hayder („den hat eine Rechtskurve umgebracht“), die Städte Essen und Köln sowie Clausnitz und Ostdeutschland im Allgemeinen mit nicht zitierfähigen Beleidigungen bedacht wird, jubelt. Das Katakomben-Theater im Girardethaus, das von Somuncu als „Leck mich am (...)-Integrationstheater“ vergleichsweise liebevoll umschrieben wird, ist ausverkauft. Zwei Abende hintereinander. Aus gutem Grund, schließlich hat der in Istanbul geborene und in Köln lebende Deutsch-Türke zwischen den Zeilen der wuttriefenden Fäkalansprachen jede Menge zu sagen.

„Who’s the King? It’s me!“

„Sexy Revolutions & The Politics“ heißt das Programm, in dem Somuncu neue Gefilde betritt und Musik macht. Gitarre spielen kann er zwar nicht, was angesichts seiner restlosen Verausgabung auf der Bühne aber zu entschuldigen ist. Dafür begleiten ihn vier professionelle Musiker um Martin Ciaja, der die passenden Arrangements zu Somuncus Texten liefert.

Dessen Gesang ist durchaus passabel, seine Bewegungen und sein Hüftschwung urkomisch, wenn er sich, so sein böser Vergleich, „wie Freddy Mercury im Endstadium“ auf dem Bühnenboden wälzt. Der Musikmix ist vielseitig: mal in Metal-Manier wie beim Eingangsstück „Hass“, dann in schmusigem Blues bei einer nicht jugendfreie Hommage an seine Ex, am Ende ein grooviger Funk zum simplen Frage-Antwort-Song „Who’s the King? – It’s me!“ An Selbstbewusstsein mangelt es dem Deutsch-Türken aus Köln nie, wenn er den Spiegel so dicht vorhält, dass es schmerzt.

Überlange Zugabe mit Schlagzeug-Solo von Somuncu

„Ihr habt doch auch alle euer Profilbild auf Facebook in den Farben der Tricolore geändert: Je suis Charlie, Je suis Paris – die einzige Wahrheit ist Je suis Je“, kritisierte Somuncu eine egoistische Gesellschaft, die „Betroffenheit heuchelt“ und sich im nächsten Moment Klamotten aus Billiglohnländern kaufe. Von seinem Improvisationstalent überzeugt er, als eine Zuschauerin in der zweiten Reihe ihr Smartphone zückt. „Na, hälste es nicht aus ohne Verbindung zur Außenwelt?“, fragt er spöttisch. Als die Frau beteuert, nur ein Foto machen zu wollen, bittet er sie auf die Bühne, belohnt sie mit einem Selfie und widmet ihr schließlich noch ein Liebeslied – frei von Romantik versteht sich.

Das Publikum im Katakombentheater, in dem Somuncu schon zu Beginn seiner Karriere spielte, wird fürs Mitmachen mit einer überlangen Zugabe belohnt: samt Somuncu am Schlagzeug und einem Tanz, bei dem später auch alle Gäste stehen und sich bewegen müssen, „ich habe mich schließlich lange genug zum Affen gemacht“.