Oberhausen. . Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat sieben neue Stolpersteine in Oberhausen verlegt. Schüler übernahmen Patenschaften.
Eine rote Rose liegt auf dem kalten Steinboden. Steter Regen legt sich auf die weiche Blüte. Daneben ist ein Gedenkstein in die Straße eingelassen. Er erinnert an Hermann Eul, der als KPD-Politiker von den Nazis verfolgt wurde und 1947 an den Folgen seiner KZ-Haft starb. Für ihn und sechs weitere Opfer des Nationalsozialismus hat Künstler Gunter Demnig am Freitag wieder sogenannte Stolpersteine in der Stadt verlegt.
Mehr als 160 dieser Steine gibt es in Oberhausen bereits. Auf einer Messingplatte sind Namen und bekannte Daten der Opfer graviert. Verlegt werden sie am letzten bekannten Wohnort der Opfer.
Versöhnung braucht Zeit
„Wenn man nach 70 Jahren einem Menschen öffentlich gedenkt, dann ist das nicht alltäglich“, sagte Doris Rött, Enkelin von Hermann Eul, bei der Verlegung.
Auch für den ehemaligen Kaplan Otto Kohler wurde am Freitag ein Stolperstein verlegt. Für Ulrike Noll, die sich im Sprachcafé der Christus-Kirchengemeinde engagiert, ein Pflichttermin. Das Sprachcafé ist ein Angebot für Oberhausener Flüchtlinge. Einer von ihnen war mit bei der Stolperstein-Verlegung. „Wir wollen zeigen, was Diktaturen anrichten und wie viel Zeit Versöhnung braucht“, so Ulrike Noll.
Für diese Oberhausener wurden Stolpersteine verlegt:
Fritz Janke – politischer Stadtführer
Es gibt vermutlich noch viele ältere Oberhausener, die Fritz Janke kannten. Er war auch nach der Zeit des Nationalsozialismus politisch in der Stadt aktiv, hat unter anderem politische Stadtrundgänge geleitet.
Als Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) beziehungsweise deren Jugendorganisation KJVD wurde Fritz Janke nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verhaftet. „Verdacht auf Hochverrat“ hieß es im Januar 1934. Die Nazis warfen Janke die „Betätigung in einer illegalen kommunistischen Vereinigung“ vor.
Man konnte ihm jedoch nichts nachweisen. 1937 wurde er erneut verhaftet und als „Schutzhafthäftling“ ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Nach vier Monaten Haft wurde er entlassen. Bis Kriegsende hielt sich Fritz Janke politisch zurück, um weiterer Verfolgung zu entgehen.( Flaßhoff-/Hermann-Albertz-Straße.)
Einen „liederlichen Lebenswandel“ warfen ihm die Nazis vor. Er soll mit dem Kommunismus sympathisiert und in Russland gegen Deutschland gehetzt haben – unter diesem Vorwand kam Johann Arnold Optenhövel ins Konzentrationslager.
Johann Arnold Optenhövel – Zwangsarbeit in Buchenwald
Optenhövel wurde 1912 geboren. Er lebte mit seinen Eltern an der Schmachtendorfer Straße und arbeitete als Bergmann. 1932 wanderte die Familie aus beruflichen Gründen für mehrere Jahre nach Russland aus. Kurz nach seiner Rückkehr Ende 1937 nahm die Gestapo den jungen Optenhövel fest, er kam ins Konzentrationslager Buchenwald und musste dort Zwangsarbeit leisten. Im Mai 1940 wurde er ins KZ Sachsenhausen verschleppt.
Er überlebte die Haft und wurde 1945 befreit. Er lebte weiter in Oberhausen und gründete eine Familie. Seine Tochter war bei der Verlegung des Stolpersteins dabei. (Schmachtendorfer Straße 104)
Hermann Eul – Ein Mensch wie du und ich
Am Anfang gab es nur ein Passfoto und ein zerfleddertes Familienbuch. Dann nahmen Orhan Karatag, Salma Selimi und Hilal Aymaz die Recherche auf, um mehr über Hermann Eul zu erfahren. Die drei Zehntklässler der Hauptschule Alstaden haben sich in einem freiwilligen Projekt mit dem Schicksal des Oberhausener KPD-Politikers beschäftigt.
„Das ist uns sehr nahe gegangen“, sagt Orhan. „Ich habe ein Foto von Hermann Eul gesehen, wir hatten die gleiche Frisur. Das war ein Mensch wie du und ich.“ Für die Recherche hatten die Schüler die Möglichkeit, die Enkelin Euls, Doris Rött, zu treffen. „Sie hat uns ein weiteres Foto gezeigt, da kam Hermann Eul gerade aus der Haft“, erinnert sich Hilal. „Das war erschreckend.“
Hermann Eul war als politischer Häftling unter anderem im KZ Buchenwald. Er wurde im April 1945 befreit, starb aber zwei Jahre später an den Folgen der Haft. (Cuxhavener Straße 26/28)
Kaplan Otto Kohler – Er tat Gutes und wurde verraten
„Er war so ein guter Mann. Er hat uns Kindern immer gesagt, dass so etwas wie zur Nazizeit nie wieder passieren dürfe.“ Annegret Sartoris erinnert sich mit Tränen in den Augen an Otto Kohler, bei dem sie 1955 Kommunionunterricht hatte. Kohler war Kaplan der Styrumer Gemeinde St. Joseph. Hier versteckte er den Juden Friedrich Oppenheimer, um ihn vor der Deportation zu bewahren.
Doch das Versteck flog auf. Die Männer sind vermutlich verraten worden. Am 6. April 1944 nahm die Gestapo den jungen Kaplan fest. Er wurde ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Im April 1945 konnte Kohler von einem der berüchtigten Todesmärsche fliehen. Gesundheitlich schwer gezeichnet konnte er erst 1951 seinen Dienst wieder antreten. 1968 ging er mit 59 Jahren in den Vorruhestand, er starb Mitte der 80er-Jahre. Nun hat seine einstige Schülerin Annegret Sartoris einen Stolperstein für ihn gestiftet. (Martin-Heix-Platz 7)
Hugo Grossmann – Nach der KZ-Haft verliert sich die Spur
Weil er auf offener Straße „Heil Moskau“ gerufen haben soll, wurde der Oberhausener Hugo Grossmann 1934 zum ersten Mal verhaftet. Doch ein Dorn im Auge dürfte er den Nazis schon vorher gewesen sein: Der 1896 geborene Grossmann war vor der Machtergreifung Hitlers Mitglied der KPD und des Betriebsrates der Städtischen Werke. Aus deren Dienst ist er allerdings wegen „versuchter Betriebsstörung“ entlassen worden.
Mit dem Schicksal Grossmanns haben sich Schüler des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums beschäftigt. Sie haben Gestapo-Akten gewälzt und Archive durchforstet. „Das hat uns das Schicksal des Mannes näher gebracht“, erinnert sich Schülerin Jonna Müller an die Arbeit.
Hugo Grossmann überlebte das Konzentrationslager Buchenwald. Er ist durch die Alliierten befreit worden. Was danach mit dem 1896 in Oberhausen geborenen Mann geschah, ist ungeklärt. Seine Spur verliert sich. (Lothringer Straße 133)
Helmut Stuhlemmer – Anführer der Edelweißpiraten
Er hätte auch den einfachen Weg wählen können: Als Jugendlicher trat Helmut Stuhlemmer dem Deutschen Jungvolk der Hitlerjugend bei. Doch schnell entschied sich der Oberhausener für die Opposition und schloss sich der Widerstandsgruppe der Edelweißpiraten an. Als Mitglied des städtischen Box- und Fechtclubs genoss der 1923 geborene Stuhlemmer großes Ansehen, bei den Edelweißpiraten stieg er zu einem der Anführer auf.
Obwohl die Gestapo ihn oft verhaftete, organisierte er immer wieder Widerstands-Aktionen und war oft in Schlägereien mit Mitgliedern der Hitlerjugend verwickelt. Mehrfach wurde er wegen Körperverletzung angeklagt. Um einer längeren Haftstrafe zu entgehen, meldete sich Helmut Stuhlemmer freiwillig zum Wehrdienst.
Er zog in den Krieg und starb als Soldat am 27. Januar 1943 in der Ukraine. Helmut Stuhlemmer wurde keine 20 Jahre alt. (Freiherr-vom-Stein-Straße 28)
Maria Alles – Verbotene Liebe brachte sie ins Zuchthaus
In den Augen der Nazis hat sich die in Oberhausen geborene Maria Alles auf den falschen Mann eingelassen. Die damals 20-Jährige war 1940 wie viele andere junge Frauen auch im sogenannten Reichsarbeitsdienst tätig und im Örtchen Hochdahl bei Düsseldorf auf einem Bauernhof eingesetzt. Dort verliebte sie sich offenbar in den polnischen Zwangsarbeiter Thomas Brzostowicz. Die gemeinsame Arbeit hat sie einander näher gebracht.
Doch das Paar wurde denunziert, vermutlich durch die Lagerführerin. Maria Alles musste den Arbeitsdienst verlassen und wurde verhaftet. Ein Gericht verurteilte sie später zu zwei Jahren Zuchthaus. „Rassenschande“ galt zur Zeit der Nationalsozialisten als schweres Verbrechen.
Thomas Brzostowicz wurde wegen des Verhältnisses zu Maria Alles ebenfalls durch die Gestapo verhaftet und wenig später öffentlich gehängt. (Arndtstraße 100)