Oberhausen. . Anneliese Bückart gehört zu den ältesten Zeitzeugen in Oberhausen. Ihr Vater Arthur Staudt saß in Nazi-Haft. Nach dem Krieg wurde er ermordet.

Anneliese Bückart kann sich noch gut daran erinnern, wie sie als Kind mit ihrem Vater durch den Wald in Rothebusch gewandert ist. „Wir haben Pilze gesucht, er hat mir alles genau gezeigt und erklärt“, erzählt die heute 90-Jährige. Ein paar Jahre später wurde das liebevolle Familienleben jäh zerstört: 1935 hat die Gestapo Arthur Staudt verhaftet. Wegen der „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ landete er im Gefängnis. An sein Schicksal erinnert ab sofort ein Stolperstein, den der Künstler Gunter Demnig an der letzten Adresse Staudts verlegt hat, an der Rothebuschstraße 116.

„Es war furchtbar“, erinnert sich Anneliese Bückart. Die Gestapo hatte nach der Verhaftung des Vaters auch die Familie im Visier. „Die haben unseren Küchenboden aufgerissen, weil sie dachten, dort seien Flugblätter versteckt.“ Arthur Staudt, Jahrgang 1889, war Mitglied der Oberhausener SPD und der Gewerkschaft. Das genügte den Nazis, um den Familienvater für knapp anderthalb Jahre einzusperren.

Die Nachbarn halfen

„Sie und Ihre Sippschaft sollte man vergasen!“ So habe ein Rathaus-Mitarbeiter reagiert, als die Mutter von Anneliese Bückart nach der Inhaftierung ihres Mannes um Hilfe bat. „Wir hatten ja nichts. Überlebt haben wir nur, weil die Nachbarn uns geholfen haben.“

Umso tragischer ist, was nach dem Krieg passierte. Arthur Staudt arbeitete nach seiner Freilassung weiter als Bergmann auf der Zeche Jacobi. Die Familie hat den Zweiten Weltkrieg überlebt. Ausgerechnet ein Nachbar hat Staudt 1946 umgebracht. Anneliese Bückart schüttelt noch heute entsetzt den Kopf.

Der Nachbar hatte seinen Sohn im Krieg verloren. „Das hat ihn kaputt gemacht.“ Eines Tages hat er Arthur Staudt unter einem Vorwand aus dem Haus gelockt – und erschlagen. Danach wollte er auch die Mutter töten, doch die damals 21-jährige Anneliese warf sich dazwischen. Beide wurden verletzt.

Ein Psychologe hat der Familie damals erklärt: Der Nachbar sei „durchgedreht“. Er habe das intakte Familienleben der Staudts nicht ertragen können. Kurz nach der Verhaftung hat sich der Täter in seiner Gefängniszelle das Leben genommen.

Die beste Oma der Welt

„Mein Vater war ein herzensguter Mann, Familie ging ihm über alles“, sagt Anneliese Bückart. Sein Tod geht der 90-Jährigen auch heute noch sehr nahe. Halt und Trost fand sie immer bei ihrer Familie – bei ihrem Mann Bernhard, den sie liebevoll Fips nannte, und ihrer Tochter. Ihren Mann hat die Osterfelderin vor vier Jahren verloren. Täglich muss sie an ihn denken. Vor allem, wenn sie aus dem Fenster sieht und ihr Blick auf die Zierkirsche im Garten fällt. Ehemann Bernhard hatte den Baum vor Jahren veredelt. „Seitdem trägt er im Frühling weiße und rosafarbene Blüten. Ich vermisse meinen Mann sehr.“

Den Familiensinn hat sie offenbar vom Vater geerbt: Wenn sie von den beiden Enkeln spricht, leuchten ihre Augen. In ihrer Wohnung hängt eine Urkunde: „Für die beste Oma der Welt“ steht darauf. „Danke für deine Hilfsbereitschaft und stete Unterstützung.“