Oberhausen. Christoph Wichmann ist neuer Propst von St. Pankratius. Der Fußballfan stimmt angesichts schrumpfender Gemeinden auf Ökumene ein. Er wirbt fürs Christsein.

Er ist Schalke-Fan, Ruhrgebietskind und der jüngste Propst im Bistum Essen: Seit wenigen Wochen führt Christoph Wichmann das Team der rund 17.000-Mitglieder großen Pfarrei St. Pankratius an. Der 37-Jährige mit festem Händedruck und klarer Sprache, in die sich häufig ein Lachen mischt, hat in der Pfarrei schon Eindruck gemacht: Man bezeichnet ihn als offen, freundlich und zugänglich.

Zum Interview trifft ihn Stephanie Weltmann in seiner gerade bezogenen Wohnung – mit einem Kickertisch im Flur; ein Abschiedsgeschenk aus seiner letzten Wirkungsstätte, der Kirche für junge Menschen „Gleis X“ in Gelsenkirchen.

St. Pankratius hat immer weniger Christen, die Pfarrei muss sparen und wohl Gebäude aufgeben, die Gemeinden waren zuletzt gespalten. Hätten Sie sich nicht einen ruhigeren Posten vorstellen können, Propst Wichmann?

Christoph Wichmann: Das sind ja keine Herausforderungen nur für mich. Hier sind alle gefragt, wenn es ab Februar 2016 um die Frage geht, wie die Pfarrei künftig aussehen wird. Dabei geht es nicht nur um Einsparungen, sondern um die Frage, wie wir Christen unseren Glauben im Ortsteil leben wollen. Wir müssen schauen, wie passen Angebot und Nachfrage zueinander.

Gibt es starke Veränderungen?

Wichmann: Wir werden nicht alles von heute auf morgen über Bord werfen. Wir versuchen Gutes mitzunehmen und Neues zu entdecken. Das wird ungemütlich, auch für mich, aber so wie ich die Menschen hier kennen gelernt habe, ziehen wir an einem Strang.

Unter Ihrem Vorgänger sah das nicht so aus. Die Gemeinden waren gespalten, Ehrenamtliche fühlten sich nicht wertgeschätzt.

Wichmann: Ich bin nicht der Typ, der in die Vergangenheit guckt, mir geht es um die Zukunft. Und da müssen wir verstehen, dass wir als Christen gemeinsam stärker sind. Wir müssen uns aufeinander zu bewegen, auch räumlich. Keiner soll seine christliche Heimat aufgeben, aber der Christ der Zukunft muss auch Mobilität an den Tag legen und längere Wege auf sich nehmen.

Sie sagen Christ. Wollen Sie stärker mit der evangelischen Kirche zusammenarbeiten?

Wichmann: Es gibt ja mehr Dinge, die uns verbinden als uns trennen. Und wir haben ähnliche Herausforderungen. Wenn wir also in einem Stadtteil gehört werden wollen, dann müssen wir deutlich machen, dass wir zu einem Jesus Christus gehören. Bei Fragen von Gebäuden oder gemeinsamen Aktionen müssen wir schauen, ob wir uns nicht stärker aufeinander zu bewegen.

In der GleisX-Kirche haben Sie Jugendliche angesprochen, die mit Kirche ja nicht viel am Hut haben. Wie hat das geklappt?

Wichmann: Wir hatten sonntagabends 50 bis 60 Gottesdienstbesucher, Jugendliche, junge Erwachsene, auch Ältere. Viele kamen aus umliegenden Städten. Ich habe Ideen aus den USA eingebracht, wo ich ein viertel Jahr gelebt habe. Es ging um drei Dinge, die eine Gemeinde attraktiv machen, Gastfreundschaft, Ansprache und Musik. Das haben wir aufgegriffen, zum Beispiel stand der Altar in der Mitte der Kirche.

Arbeit in Ghana und den USA

Christoph Wichmann hat nach dem Theologie-Studium in Bochum, Innsbruck und Wien in einem Hospiz für HIV-Infizierte in Nordghana gearbeitet und dort Präventionsarbeit geleistet. In Chicago hat er sich damit auseinandergesetzt, was deutsche Gemeinden von amerikanischen lernen können – Erfahrungen, die in den Aufbau der Gelsenkirchener Kirche Gleis X einflossen, die er nach der Priesterweihe 2007 und der Kaplanszeit in Essen aufgebaut hat. Wichmann war auch Schulseelsorger in Essen.

In seiner Freizeit reist Wichmann ohne Reiseführer und am liebsten in Städte. Er geht viel ins Kino und liest gern – besonders Zeitungen.

Wie klappt das in Pankratius?

Wichmann: Man kann nicht alles überall gleich umsetzen. Das hängt auch immer an Personen. Wir können noch so viele Bilanzen und Konzepte machen, man muss Personal haben, das die Menschen anspricht, und Menschen, die für Kirche einstehen. Entscheidend ist auf dem Platz.

Sie kamen ohne Konzept hierher?

Wichmann: Ich habe schon Ideen und Visionen, etwa dass wir auch in den nächsten Jahrzehnten Kirche sein werden, wenn auch in anderer Form, und dass wir junge Menschen davon überzeugen können, dass die Botschaft Jesu brandaktuell ist. Ich habe als Seelsorger an einer Schule mit 1800 Jugendlichen gearbeitet. Jeder von ihnen hatte eine gewisse Sehnsucht, worum es im Leben geht, welche Wege es gibt. Wir müssen einfach mehr für uns werben.

Nun sind Sie Propst in einem Stadtteil mit vielen Migranten. Wollen Sie enger mit anderen Glaubensgemeinschaften zusammenarbeiten?

Wichmann: Wir sollten keine Berührungsängste haben. Ich habe in der Gelsenkirchener Neustadt gelebt, war vier Jahre Kaplan in Essen-Stoppenberg, ich bin da also gelassen. Ich finde, gerade weil der Stadtteil bunt ist, sollten wir Christen zeigen, dass es uns gibt. Die Begegnung der Religionen sollte auf Augenhöhe sein.

Kirche hat einen angestaubten Ruf, da gehen die Älteren hin. Sie sind der jüngste Propst im Bistum, haben ein junges Team. Wollen Sie gerade jüngere Familien ansprechen?

Wichmann: Das ist sicher ein Ansatzpunkt, weil wir da einen großen Bedarf des Wiederaufeinanderzugehens haben. Wir müssen aber auch Wertschätzung für das Alter bewahren. Wir als Kirche haben die Verpflichtung, mit unseren älteren Gemeindemitgliedern gut umzugehen.

Was macht eigentlich ein Propst?

Christoph Wichmann ist Pastor, Pfarrer und Propst in einem. Er ist Pfarrer für die Pfarrei St. Pankratius mit den drei Gemeinden St. Pankratius, St. Marien, St. Franziskus und 17 000 Mitgliedern. Damit leitet er ein Team von rund 20 Mitarbeitern. Zugleich ist er Pastor der Gemeinde St. Pankratius.

Propst ist ein Ehrentitel, mit dem die lange Historie einer Gemeinde oder Stiftskirche gewürdigt wird.

Wie sind Sie zur Kirche gekommen?

Wichmann: Ich komme aus Gelsenkirchen-Buer, wir haben in der Nähe des Parkstadions gewohnt. Mein Vater war Schiedsrichter in der Bundesliga und Religionslehrer in Bottrop-Fuhlenbrock. Bei uns zu Hause gehörte zum Sonntag also immer beides, Kirche und Fußball. Beides habe ich mit Freunden gemacht und erlebt. Ich war Messdiener und in der Jugendarbeit aktiv. Das hat sich natürlich entwickelt.

Kann man Fußball und Gemeinde vergleichen?

Wichmann: Darüber habe ich ganze Predigten gehalten. Bei beidem gibt es Teams, Zuschauer und für verschiedenste Talente Positionen und Stellen, an denen man sich einsetzen kann.

Welche Rolle hat der Priester?

Wichmann: Wechselnde, mal ist er Libero, mal Physiotherapeut, mal Trainer.

Sie sind Schalkefan. Wann sehen wir Sie mal im Stadion Niederrhein bei RWO?

Wichmann: Ach, wenn jemand Lust hat, dahin zu gehen, komme ich gerne mit.