Oberhausen. Historische Postkarten, geschrieben aus Oberhausen, vermitteln Botschaften aus längst vergangenen Tagen. Sie sind sind rührend, witzig und kostbar.
„Meine liebe Mutti!
Oberhausen ist eine schöne Stadt. Ein Qualm, das kann ich dir nur sagen. Ein Bergwerk nach dem anderen. Auf diesem Bild ist die Zeche Jacobi, sie beschäftigt 4000 Mann Untertage. Alles weitere erzähle ich dir in Berlin.
Viele Grüße, auch an Onkel Hans,
Dein Peter“
Am 13. April 1954 ging eine Postkarte mit diesem Inhalt von Oberhausen aus auf die Reise nach Berlin. Es sind nur ein paar Zeilen, Erinnerungen eines jungen Mannes, den es aus welchen Gründen auch immer ins Ruhrgebiet verschlagen hat. Aber die wenigen Sätze lassen einen tiefen Blick zu: auf ein Oberhausen aus längst vergangenen Tagen – aus den Augen eines Menschen, der hier lebte, arbeitete oder Urlaub machte (oh ja, das gab es wirklich). Etwas mehr als 100 Postkarten dieser Art sind seit Freitag im LVR-Industriemuseum im Zentrum Altenberg zu sehen, in der Ausstellung „Grüße aus Oberhausen. Postkarten und ihre Botschaften.“
Von der Jahrhundertwende bis in die 70er Jahre
Die Karten – alle geschrieben zwischen der Jahrhundertwende und den frühen 1970er Jahren – sind in 14 Themen unterteilt. In einem gibt es etwa Glück- und Segenswünsche zu lesen, ein weiterer beschäftigt sich mit Oberhausen als industrieller Stadt, ein anderer mit Urlaubsgrüßen. Auch die schlimmen Zeiten sind dokumentiert:
„Liebe Eltern!
das ich hier liege in Sterkrade wird euch mein Weibi schon gesagt haben. Habe einen Schuß am linken Arm, will aber gar nicht besser werden, kan in noch nicht rühren. Mein einziger Wunsch wär halt nach Bayern in meine Heimat, da in Nordpreußen bringt mich die Zeitlang noch um.“
Diese Karte wurde am 7. Oktober 1914 geschrieben – knapp drei Monate nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Das Spannende an diesen wie an allen anderen Kurzbotschaften: „Fakten gibt’s aus dem Geschichtsbuch“, sagt Burkhard Zeppenfeld, Leiter des Museums Zinkfabrik Altenberg. Aber die Lebenswelt des kleinen Mannes, die sei nur über Dokumente wie die Postkarten erfahrbar.
„SMS der analogen Zeit“
Kuratiert hat die Ausstellung Daniel Sobanski, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Industriemuseums. Die Postkarten bezeichnet er als „SMS der analogen Zeit“. Wie in der digitalen Kurznachricht seien auch Postkarten eher im Plauderton formuliert – anders als in langen Briefen, bei denen die Menschen noch Wert auf Etikette und Höflichkeitsfloskeln legten. Manche Karten erinnern an Mitteilungen, die heutzutage bei Facebook gepostet würden: Grüße, die Theaterbesucher in der Pause auf eine Karte schreiben, oder Trinksprüche aus der Kneipe zum Beispiel.
Zum Schmunzeln ist auch die typisch sympathische Ruhrgebietssprache – mit all ihren grammatikalischen Feinheiten:
„Mein lieber Schwager
Wie du von Johanna gehört hast bin ich wieder zu Hause. Habe meine alte Stelle wieder. Wie geht es dir denn noch? hoffentlich kommst du mal bald nach hier. Es Grüßt dir bestens dein Schwager Johann“
Versendet wurde die Karte am 25. September 1915.
Die Ausstellung mag auf den ersten Blick nicht groß, aufsehenerregend oder bombastisch sein. Sie ist klein. Aber kostbar. Sie bringt uns die Menschen näher, die Oberhausen zu dem gemacht haben, was es heute ist. Es zeigt, wie die Menschen in schweren Zeiten gelitten haben, worüber sie sich in schönen Zeiten gefreut haben. Es sind einfache Zeilen wie diese aus dem Jahr 1953, die rühren und in Erinnerung bleiben:
„Lieber Papa!
Tausend Grüße und Küßchen sendet Dir Dein Strolch.“
Noch bis zum 5. Juli 2016 sind die Postkarten in der Galerie der Walzhalle zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr. Montags geschlossen. Adresse: Hansastraße 20. Nähere Informationen unter industriemuseum.lvr.de.