Oberhausen. Als „Film live“ plakatiert das Theater A. R. Koohestanis „Taxigeschichten“. Die Zuschauer nehmen Platz auf der Bühne und blicken auf einen Green Screen.

Es wird ein bisschen wie das Fahranfänger-Spiel mit Innnen- und Außenspiegel: Blicke ich zuerst nach rechts oben oder nach links unten? Die Zuschauer auf der Theaterbühne werden sich bei Amir Reza Koohestanis „Taxigeschichten“ entscheiden müssen: Blicke ich auf die „echten“ Schauspieler – oder auf dieselben Schauspieler auf der Leinwand?

Für die anstehende Uraufführung entschied sich das Regie-Team um Koohestani und Bühnenbildnerin Mitra Nadjmabadi für eine ähnliche Technik, wie sie schon Alfred Hitchcock einsetzte, wann immer es galt, Dialoge während Autofahrten aufzunehmen: Damals nannte man Rückprojektion, was heute in avancierter Form als „Green Screen“ firmiert: So kommt Berlin ins bewegte Bild.

Denn in Berlin erlebt der Fahrer (gespielt von Jürgen Sarkiss) jene „Taxigeschichten“, die Naser Ghiasi zunächst als Weblog in seiner Muttersprache Farsi auf den Bildschirm brachte. Der Autor des digitalen „Urtextes“ stammt – wie Regisseur und Bühnenbildnerin – aus Iran, lebt aber seit 32 Jahren in Deutschland. Neben seiner Arbeit als literarischer Übersetzer fuhr Ghiasi 14 Jahre Taxi in Berlin.

Begegnungen mit einem Schweizer Geschäftsmann

Die Original-Texte, erklärt Koo­hestani, „sind meistens sehr kurz, in der Länge von Posts“. Daraus bühnenwirksame Dialoge zu entwickeln, wurde ein Spiel über Bande – denn der Regisseur versteht zwar Deutsch, spricht’s aber nicht. Dramaturg Rüdiger Bering schuf mit Naser Ghiasi jene Dialoge zwischen Fahrer und Fahrgast, die den geposteten „Taxigeschichten“ fehlten. Für das Regie-Team eine passende Lösung, die ebenso von den „zwei Welten“ erzählt, wie die Erlebnisse hinter den Türen im genormten Hell­elfenbein RAL 1015.

Motor-Droschken im Kulturbetrieb

Man muss aufpassen, nichts zu verwechseln: Denn Taxen sind derzeit „in“ zwischen Buchdeckeln, auf Kino-Leinwänden und im Theater. In „Taxi“ nach Karen Duves gleichnamigem Roman kurvt Rosalie Thomass als Alex durch Hamburg bei Nacht. Dem Film von Kerstin Ahlrichs fehlt nur leider das herbe Flair des Buchs.

„Taxi Teheran“ ist dagegen ein kostbares Unikat: heimlich gefilmt in den Straßen der iranischen Hauptstadt mit Regisseur Jafar Panahi am Lenkrad.

Die Premiere der Oberhausener „Taxigeschichten“ beginnt am Freitag, 30. Oktober, um 19.30 Uhr im Großen Haus.

Im Gespräch erweist sich Amir Reza Koohestani als wahrer Taxi-Romantiker: „Man ist in der Öffentlichkeit unterwegs und zugleich ganz privat unter sich.“ Rüdiger Bering meint, „wie zu später Stunde beim Barkeeper“ – oder wie im Beichtstuhl. „Zwei Welten“ meint aber auch den multikulturellen Hintergrund – sowohl des Taxifahrers als auch seiner Passagiere.

Sieben Episoden hat Koohestani für die Uraufführung der „Taxigeschichten“ ausgewählt: Begegnungen mit einem fremdgehenden Schweizer Geschäftsmann, mit einem Zuhälter mit Mordgedanken und mit einer Prostitutierten, die vorgibt Polin zu sein.

„Alle Geschichten basieren auf wahren Begegnungen“, versicheren Regisseur und Dramaturg. Weitere Geschichten könnten täglich hinzukommen. Taxi-Romantiker Koohestani blickte jüngst auf eine Schlange wartender Karossen: „Für viele Fahrer sind es zweite Wohnzimmer: Jedes Taxi erzählt seine eigene Geschichte.“