Oberhausen. Tarek aus Syrien haust mit rund 200 anderen Flüchtlingen in der Fröbelschule in notdürftig eingerichteten Räumen. Für die Bewohner bedeuten sie Sicherheit.
Durch die milchigen Fenster fällt das Licht der Herbstsonne auf den sauberen Sportboden der Turnhalle. Es ist warm in der Halle, beinah schon stickig. Zwischen den farblosen Trennwänden hocken ein paar Männer zusammen. Ein älterer Herr steht auf und deutet auf sein Handy. Es läuft ein Video: die Sonne scheint, rechts und links erstreckt sich das Meer, 40 Menschen sitzen in einem viel zu kleinen Schlauchboot, am Rand die Erwachsenen, in der Mitte die Kinder. Es ist ihr Weg nach Griechenland. 45 Minuten dauerte die Fahrt in dem überfüllten Boot, erzählt der Mann. Als das Video endet, bedankt er sich, lächelt und geht wieder zurück zu den anderen.
Es ist eine Szene, die wohl die meisten der rund 200 Flüchtlinge in der Notunterkunft Fröbelschule schildern können. Viele sind schon eine Weile hier, andere erst ein paar Wochen. Ganz langsam macht sich eine Art Alltag breit.
Alkohol und Rauchen verboten
Es ist 12 Uhr mittags: Essenszeit. Ein paar der Bewohner stehen noch draußen, rauchen eine Zigarette. Drinnen ist Rauchen verboten, ebenso wie Alkohol trinken. Zwei der wenigen Hausregeln. Ein paar Kinder stellen ihre Fahrräder ab und kommen reingelaufen.
Flüchtlinge in DeutschlandVor dem kleinen Raum am Eingang hat sich eine lange Schlange gebildet. In der Luft liegt der Geruch von warmer süß-saurer Soße. Hähnchen wird serviert, als Beilage gibt es Reis. Die einen sitzen bereits an der langen Tafel aus aneinandergereihten Tischen, andere warten noch auf ihre Portion.
Acht Tage auf der Flucht
Der 35-jährige Tarek ist einer von ihnen. Seit September lebt der Syrer gemeinsam mit seiner Frau und seiner dreijährigen Tochter in der landesgeführten Flüchtlingsunterkunft. Acht Tage lang haben er und seine Familie die Türkei, Griechenland, Serbien und Ungarn durchquert, um nach Deutschland zu kommen – um in Sicherheit zu sein. Jetzt, sagt er, ist er sehr glücklich. „Wir haben hier alles, was wir brauchen. Kleidung, Essen und endlich guckt ein Doktor nach meiner kleinen Tochter.“
Kleidung bekommen die Bewohner von der hausinternen Kleiderkammer im Keller. Verantwortlich sind Ehrenamtliche. Aber sie sind vorsichtig geworden. Seit Scherben in einem Sack voll Kinderspielzeug gefunden wurden, werden nur noch Spenden von Hilfsorganisationen angenommen. „Ein Einzelfall“, versichert Jörg Fischer vom Deutschen Roten Kreuz, das alle drei Landeseinrichtungen in der Stadt betreut.
Stockbetten statt Feldbetten
Ein Stockwerk höher liegen die ersten Schlafräume, eingerichtet in ehemaligen Klassenzimmern. Bunte, ordentlich zusammengelegte Bettwäsche verdeckt die notdürftig aufgestellten Feldbetten. Bald werden sie durch Doppelstockbetten ausgetauscht, erklärt Jörg Fischer. Für die kleinsten Bewohner sind extra Kinderbetten aufgestellt.
Beige Trennwände sollen ein wenig Privatsphäre schaffen, denn die Zimmernachbarn sind sich häufig unbekannt. „Wir achten aber darauf, dass Menschen mit denselben ethnischen Hintergründen zusammengelegt werden“, sagt Fischer. Unruhen habe es bisher keine gegeben.
44 Schüler im Unterricht
Direkt nebenan liegt tatsächlich ein Klassenraum. Viktorija Mousa sitzt hier, macht sich einen Plan für die nächste Stunde. Draußen warten schon vier Mädchen, in den Händen halten sie Schulhefte. Die 37-Jährige gibt den Flüchtlingen ehrenamtlich Deutschunterricht, vermittelt Basiswissen: sich vorstellen, Monate, Jahreszeiten und Farben. Aktuell unterrichtet sie 44 Schüler. Viel zu viele, sagt sie. „Alle wollen mitmachen und haben Fragen.“ In Planung seien daher zukünftig acht einzelne Gruppen.
Viktorija Mousa weiß, was ihre Schüler mitmachen. Vor 17 Jahren kam die gebürtige Kroatin – aufgewachsen in Bosnien – nach Deutschland, ohne Sprachkenntnisse. Heute sagt sie: „Ich möchte den Menschen Mut machen.“