Oberhausen. . Die Zahl der angezeigten Ordnungswidrigkeiten ist deutlich gestiegen. Jugendliche müssen sogar in den Arrest. Experten sehen darin jedoch keinen Sinn.
Die Stadt Oberhausen hat ein zunehmendes Problem mit Langzeit-Schulverweigerern. Die Zahl der Ordnungswidrigkeitenanzeigen bei den Haupt-, Grund- und Förderschulen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. 124 waren es im Schuljahr 2010/2011. Im abgelaufenen Schuljahr waren es 161. In der Folge drohen den Schülern sogar Arreste. Dabei sind sich Oberhausener Experten einig, dass Anzeigen und Sanktionen nicht vom „Schwänzen“ abhalten.
„Es geht nur präventiv“, sagt Mario Weißenfels, Schulsozialarbeiter an der Gesamtschule Weierheide. Manche Leute glaubten, Eltern oder Schüler würden ihr Verhalten ändern, wenn man ihnen Strafen auferlegt. Dem sei aber nicht so, sagt Weißenfels. Man solle nicht erst eingreifen, wenn es schon zu spät sei. Man müsse die Schüler vielmehr auffangen, bevor sie überhaupt zu Verweigerern werden.
Auch die Verhängung von Bußgeldern sehen Experten kritisch. Trotzdem werden Eltern beziehungsweise Schülern ab 14 Jahren Strafzahlungen auferlegt. Die Höhe der Bußgelder ist in den vergangenen Jahren sogar gestiegen. Im Schuljahr 2010/2011 reichten sie von 25 bis 90 Euro. Im vergangenen Schuljahr mussten die Betroffenen bis zu 150 Euro bezahlen.
Freiheitsentzug von einer Woche
Oft werden Geldbußen aber auch in Sozialstunden umgewandelt. In diesen Fällen wird die Jugendgerichtshilfe involviert. Für das laufende Jahr 2015 erwartet Armin Nixdorf als zuständiger Sachbearbeiter rund 150 solcher Fälle. 2014 waren es zwar noch 174 – bezogen auf alle Schulformen in Oberhausen. Von einer Trendwende möchte er dennoch nicht sprechen. Denn: Im Vergleich zu 2010 hat sich die Zahl der Fälle nahezu verdoppelt.
Zu weit mehr als 3000 Sozialstunden wurden Jugendliche im vergangenen Jahr wegen Schulschwänzens verdonnert. Viel zu viel, meint Nixdorf. Denn auch er ist der Meinung, dass Sanktionen das Problem nicht lösen. Arbeiten Schüler die Sozialstunden nicht ab, müssen sie im schlimmsten Fall in „Ungehorsamsarrest“, wie Fachleute den Freiheitsentzug von bis zu einer Woche nennen. Die Arreste können sich auch summieren. „Wir haben Extremfälle von Jugendlichen, die acht Mal hintereinander in den Arrest mussten“, erzählt Nixdorf.
„So weit darf es eigentlich gar nicht kommen“
Für ihn ist das ein Zeichen, dass im Vorfeld einiges schief gelaufen ist. „So weit darf es eigentlich gar nicht kommen“, sagt er. Die Lösung des Problems sieht auch er in der präventiven Arbeit: Lehrer müssen geschult, die Schulsozialarbeit gestärkt werden. Unterstützungsangebote, die es ja bereits gibt, müssen ausgeweitet werden.
Die erste Adresse der präventiven Arbeit in Oberhausen ist die Ruhrwerkstatt. „Wir arbeiten mit verschiedenen Angeboten“, erklärt Susanne Hubert-Allouche, Leiterin des Bereichs Jugend, Schule und Beruf. Auch sie hält Sanktionen für den falschen Weg, Kinder und Jugendliche wieder an die Schule heranzuführen. „Es mag Einzelfälle geben, in denen ein Verfahren Erfolg hat“, sagt sie. In der Regel helfe es aber nicht, noch mehr Druck aufzubauen. „Wir müssen vielmehr nach den Ursachen schauen, warum ein Kind oder Jugendlicher nicht mehr zur Schule geht. Da müssen wir ansetzen und Hilfe leisten.“
Gründe sind vielfältig
Hubert-Allouche spricht bewusst nicht vom „Schulschwänzen“, sondern von „Schul-Absentismus“. „Sonst verkennen wir die Gründe, warum jemand der Schule fern bleibt“, sagt sie. Und die Gründe sind vielfältig, wie auch Schulsozialarbeiter Mario Weißenfels weiß, der das Thema vor einigen Jahren in einer Handreichung für alle Beteiligten zusammengefasst hat: Besucht ein Kind die Schule nicht mehr, können familiäre oder schulische Probleme dahinter stecken, die Scheidung der Eltern oder Probleme mit Lehrern oder Mitschülern zum Beispiel. Auch Versagensängste oder eventuelle Erkrankungen können eine Rolle spielen.
Was ist also zu tun? „Mehr Unterstützung für die Präventionsmaßnahmen“, sagt Weißenfels. Dafür müsse man werben – auch bei Oberhausener Lehrern.
HINTERGRUND
Die Zahlen der Jugendgerichtshilfe umfassen alle Fälle von Oberhausener Schülern, deren Bußgeld in Sozialstunden umgewandelt wurde. Die Statistik der Ordnungswidrigkeitenanzeigen, die das Oberhausener Schulamt erhebt, bezieht sich dagegen nur auf die Zahlen der Haupt-, Grund- und Förderschulen. Für die übrigen Schulformen ist die Bezirksregierung zuständig.
Und die erhebt nur landesweite Daten, die weder nach Kommunen noch nach Schulformen aufgegliedert sind. „Um die Bildung von Vorurteilen zu vermeiden“, so eine Sprecherin auf Nachfrage. Landesweit sind die Zahlen der Langzeitverweigerer an Gymnasium, Gesamtschule und Co. im vergangenen Schuljahr leicht zurückgegangen.