Oberhausen. Mit jedem Frühjahr verwandelt Willi van Stegen seinen Teil eines tristen Garagenhofes. Die „mobile“ Gartenpracht strahlt vielfarbig bis in den Herbst.
Ein vierstöckiges Mietshaus aus den 1960er Jahren, wie so viele in der Innenstadt, nur einen kurzen Spaziergang entfernt von der Marktstraße. Hildegard und Willi van Stegen hatten sich dort als Jungverlobte um eine Wohnung bemüht – und halten ihrem ersten Domizil seit nun 50 Jahren die Treue. Doch der vielleicht kleinste Garten dieser Serie ist nur halb so alt.
Der gelernte Maurer – „23 Jahre war ich am Bau“, erzählt Willi van Stegen – fand erst als Vorruheständler nach etlichen weiteren Berufsjahren bei der Ruhrchemie die Muße, etwas gegen den bis dahin tristen Blick aus dem Wohnzimmer zu unternehmen: Hinter den gerafften Gardinen nämlich sah das Paar bis dahin nur Mauern, Garagen und im Herbst die leuchtend gelben Blätter des stattlichen Baums vom benachbarten Hof.
Der Sonnenhut überragt den Gärtner
Aufreißen und Umgraben lässt sich der Betonboden hier allerdings nicht: Es ist die Decke einer Tiefgarage mit 40 Stellplätzen – anno 1965 noch eine echte Innovation im Mietwohnungsbau. So entstand jener „mobile“ Garten, dessen Prachtstücke Willi van Stegen mit Hilfe tatkräftiger Nachbarn stets nach den „Eisheiligen“ vom Speicher und aus dem Keller holt: Der Hof erblüht in Pflanztöpfen und Speiseimern. Es sprießt und leuchtet in insgesamt 40 Keramik- und Kunststoff-Gefäßen. Und eine kleine Phalanx von Gießkannen gehört auch zu diesem strahlend bunten Garten.
Am Spalier an der Hofmauer rankt Clematis in die Höhe und prunkt mit dunkel-violetten Blüten. Das Indische Rohr in seiner karmesinroten Blütenpracht hat schon den dritten Speiseimer erobert. „Das wächst und wächst“, strahlt der 76-Jährige „Man muss es immer wieder teilen.“ Der Sonnenhut hat schon die Größe des Gärtners erreicht – der seine rechte Hand in die Höhe reckt: Annähernd zwei Meter können seine durstigsten Pflanzen erreichen, die täglich gewässert werden wollen, „sonst lassen sie die Blätter hängen“.
Seine rot blühenden Skimmien – mit buschigen Kronen aus knorrigem Stamm wirken sie in den Töpfen wie Bonsai-Bäumchen – würden in dieser stattlichen Größe in Gartencentern rund 40 Euro kosten, weiß Willi van Stegen. Er hat sie natürlich von klein auf in Form gepäppelt. Und die Petunien-Töpfe stellt er eigens auf Mauersteine, damit sie noch etwas Höhe gewinnen: „Die Blüten ranken trotzdem bis auf den Boden.“
Zur üppigen Farbpalette des van Stegen’schen Gartens zählen noch weiße Dahlien mit Gardemaß, intensiv blauer Phlox und Veronica mit hübschen grün-weißen Blättern. Die violetten Blüten kann der Gärtner gerade nicht mehr vorzeigen.
Die „echte“ Parzelle grünt in Haltern
Wer seinen „grünen Daumen“ selbst auf sprödem Betonboden beweist, der braucht natürlich auch eine „echte“ Parzelle: Das Zweit-Domizil des Ehepaares zählt 120 Quadratmeter, inklusive eines Holzhäuschens, und gehört zu einem Campingplatz in Haltern am See. Bis in den Oktober fahren Hildegard und Willi van Stegen donnerstags zu ihrem Wochenend-Domizil. „Da gehen wir gerne spazieren.“
Die Töpfe des „mobilen“ Innenstadt-Garten – auch eine große Vase von klassisch-griechischer Kontur ist dabei – dürfen bis in den November draußen bleiben. „Bei frühem Nachtfrost kommt eine Plane drüber“, erklärt der Gärtner. „Die Hortensien vertragen bis 5 Grad.“
Zurückgeschnitten überwintern seine grünen Schätze unterm Dach. „Im Winter brauchen sie nur einmal Wasser.“ Und die rechtzeitig im Herbst gesetzten Zwiebeln lassen im Frühjahr wieder den grauen Hof aufblühen.