Oberhausen. „Adeus“: Für Bernardo Dezembro geht es zurück nach Sao Paulo. Ein Jahr lebte der 18-Jährige bei Familie Bühnen und lernte am Sophie-Scholl-Gymnasium.

Ein Jahr kann einem sehr lange vorkommen – oder einfach viel zu schnell vorbei gehen. Das vergangene Jahr war für den Austauschschüler Bernardo Kivitz Dezembro (18) aus Brasilien eindeutig zu kurz – und nicht zu lang. Viele tolle Erfahrungen und neue Freunde lassen den Abschied des lebensfrohen Brasilianer besonders schwer fallen.

Seit August vergangenen Jahres lebte Bernardo bei Familie Bühnen in Holten. Gastschwester Katja (18), Schülerin am Sophie-Scholl-Gymnasium und ihr großer Bruder Jan sammelten durch Austauschjahre in Ecuador und Kanada bereits eigene Erfahrungen im Ausland. Durch den Kontakt zur Schüleraustauschorganisation „Youth for Understanding“ und in Kooperation mit dem SSG ergab sich im Gegenzug die Aufnahme Bernardos als Austauschschüler für ein Jahr.

"Alle waren sofort nett"

„Am Anfang war alles ganz anders“ sagt der junge Brasilianer. „Die Architektur, die Straßen – Oberhausen ist für mich eher ein kleines Dorf“. Bernardo lebt mit seinem Vater Joao und elfjährigen Bruder Boris in der Millionen-Metropole Sao Paulo im Südosten Brasiliens. Gedränge und viel Verkehr, aber auch Unruhen in den weniger sicheren Teilen der Stadt sind Teil des tropischen Alltags. „ Hier in Oberhausen“, meint Bernardo „ist alles ruhiger und sicherer. Besonders die frische Luft werde ich vermissen.“ Das Einleben in diese fremd anmutende Welt ging jedoch überraschend schnell. „Nach zwei, drei Wochen hat er mich schon geärgert und sich verhalten wie ein Bruder“, berichtet Katja Bühnen. „Ich habe mit ihm sofort nur Deutsch geredet und ihn überall mit hingenommen“, erzählt sie weiter.

Gleichermaßen dazu beigetragen, Bernardo schnell zu integrieren und ein „Zuhause-Gefühl“ für ihn zu schaffen, hat die herzliche Aufnahme durch die anderen Mitglieder der Familie Bühnen. „Alle waren sofort nett“, sagt Bernardo.

Schöne Erinnerungen an Weimar

Das Einleben in den schulischen Alltag stellte für Bernardo ebenfalls kein großes Hindernis dar. Der Deutschunterricht in seiner Heimat Brasilien half enorm. Das Arbeitsklima am SSG bleibt ihm besonders positiv in Erinnerung: „Hier ist vieles besser. Lehrer und Schüler gehen lockerer miteinander um. Die Sitzordnung ist auch besser. Jeder kann jeden sehen und alle sind aktiver.“ Ein weiteres Novum war die individuelle Fächer-Wahl. „Hier ist man freier. Man hat mehr Möglichkeiten“, meint Bernardo.

Neben dem Familien- und Schulleben ist der 18-Jährige in Deutschland, aber auch in Europa ganz schön rumgekommen. Köln, Hamburg, Berlin, aber auch Amsterdam und Den Haag hat Bernardo besucht. Auf die Frage, welcher Ort ihm besonders gefallen hat, antwortet er prompt: „ Weimar! Das ist eine sehr schöne Stadt. Ich habe dort auch das ehemalige KZ Buchenwald besichtigt.“

Wie der Gasometer zur „Tomatendose“ wurde

An interessanten und besonderen Erinnerungen mangelt es Bernardo und Katja nach diesem ereignisreichen Jahr wirklich nicht. „ Ich habe das erste mal Schnee gesehen und sogar Schwimmen gelernt“, erzählt Bernardo stolz. „Wir haben viele tolle Erinnerungen zusammen“, meint auch Katja. „Weihnachten, Silvester, der Ski-Urlaub in Österreich, aber auch ganz kleine Dinge.“

Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr dabei ein witziges Ereignis: „ Mein Vater hat Bernardo versucht, das Gasometer mit Hilfe einer Tomatendose zu erklären“ , sagt sie lachend. „Seitdem heißt das Gasometer jetzt Tomatendose!“

Die Bedeutung und Funktion des Gasometers ist jedoch bei weitem nicht alles, was Bernardo in seinem Deutschland-Jahr gelernt hat. „Sport und gesundes Essen sind wichtig“, stellt er fest. Veränderungen in seinem Verhalten und der eigenen Wahrnehmung hat er auch erkannt: „Ich bin jetzt freier, reifer und offener als vorher.“

Kein endgültiger Abschied

Bleibt nur noch die Frage des Wiedersehens. „Ich vermisse das hier alles jetzt schon, aber ich komme wieder“, sagt Bernardo entschlossen. „Wenn ich studiere möchte ich ein Auslandssemester in Deutschland machen.“ Auch Katja Bühnen hat vor, Bernardo bald wiederzusehen: „Ich möchte nach dem Abi eine Lateinamerika-Reise machen und natürlich auch Bernardo in Brasilien besuchen.“

Man bekommt den Eindruck, dass dieser Abschied, so schwer er auch fällt, nicht endgültig ist. Es ist eher ein „Auf Wiedersehen“; ein „Adeus!“ wie man auf Portugiesisch sagt, ein Wiedersehen auf das sich Bernardo, die Familie Bühnen und mit ihr all seine deutschen Freunde freuen.