Oberhausen. Sechs Monate auf Bewährung für prügelnden Polizisten. 4500 Euro Geldstrafe für betrunkenen Randalierer

Nur kurz flüstert der Angeklagte mit seinem Anwalt, dann richtet er den Blick wieder auf die Leinwand, die im aufgeheizten Saal 126 des Amtsgerichts aufgestellt ist. Ein verwackelter Handy-Film läuft darauf ab. Er zeigt den Angeklagten, wie er als uniformierter Polizist des Oberhausener Präsidiums einen betrunkenen, am Boden liegenden Kneipengast wiederholt schlägt.

Nur vier Minuten ist der Clip vom April 2014 lang, im Internet haben ihn tausende Menschen gesehen, geteilt und kommentiert. Am Amtsgericht Oberhausen war er einer der härtesten Beweise in einem Verfahren, das am Montag mit einer zur Bewährung ausgesetzten, sechsmonatigen Haftstrafe für den Beamten, aber auch einer Geldstrafe (4500 Euro) für den Kneipengast endete.

Richter gibt sich sorgfältig

Es sind zwei viel beachtete Urteile und der Richter gibt sich besonders sorgfältig. Mehr als eine Stunde lang begründet er seine Beurteilung dessen, was am Sonntag, 6. April 2014, vor der Gaststätte „Anno 1700“ an der Nohlstraße und vor jenen vier Minuten geschehen war, die ein Nachbar mit seinem Handy filmte.

Demnach war die Polizei wegen eines Streits zwischen Frauen zur Gaststätte gerufen worden, vor Ort soll die Wirtin den angeklagten Polizisten und seine Kollegin aber auf den stark angetrunkenen und Unruhe stiftenden Oberhausener Thomas R. aufmerksam gemacht haben. Mit Beleidigungen im Weggehen („Pisser“, „Pimmel“) und einem Schlag ins Gesicht soll R. den Beamten so provoziert haben, dass es zum Gerangel kam – an dessen Ende die Video-Sequenz steht.

Reizgasdose in der Hand

Nach dem ersten Verhandlungstag im Mai waren die Bilder vom Landeskriminalamt optimiert worden. Zu sehen ist darauf, dass der Polizist nicht nur mit Ellenbogen und Faust auf den bereits am Boden Liegenden einschlägt, sondern dass er auch einen Gegenstand, wohl eine Reizgasdose, in der Hand hält. Aus Sicht des Richters ein schwerwiegendes Delikt: Der Beamte hätte bei aller vorherigen Provokation erkennen müssen, dass der betrunkene Kneipengast ihn zu diesem Zeitpunkt nicht nochmals attackieren konnte. „Dies ist ein Fall massiv übertriebener Gewaltanwendung.“ Es sei wichtig, dass der Bürger die Polizeiarbeit achtet und Anliegen ohne Sorge vortragen könne. „Deshalb muss jeder Missbrauch scharf sanktioniert werden.“ Gleichwohl gelte es auch, selbst Beamtenbeleidigung zu bestrafen: „Polizeiarbeit wird leider nicht ausreichend wertgeschätzt.“ In dem Verfahren gebe es „Verlierer auf beiden Seiten“.

Der Verteidiger des Polizisten Henrik K. kritisierte das Urteil. Zwar habe der Richter richtige Feststellungen gemacht, diese aber unzutreffend beurteilt. Bereits im Laufe des ersten und zweiten Verhandlungstages hatte der Anwalt wiederholt fehlende Transparenz in dem Verfahren kritisiert, weil er sich nicht ausreichend informiert sah. Sein Vorschlag, das Verfahren gegen Auflagen einzustellen, wurde abgelehnt. In einem zehnminütigen, persönlichen Plädoyer setzte sich der Anwalt für einen Freispruch seines Mandanten ein. Die Entscheidung, wie sich ein Polizeibeamter in einer Situation wie der im April 2014 zu verhalten habe, sei nicht einfach.