Oberhausen. Sollen Ärzte todkranken Patienten beim Selbstmord helfen dürfen? Hospiztag in Oberhausen diskutiert ethisch-heikles Thema kontrovers.

Ein weißes Totenhemd links an der Wand und ein buntes Sommerkleid rechts, sie sind die einzigen Blickfänge im ansonsten nüchternen Seminarraum im Medikon, dem Sozialmedizinischen Aus- und Weiterbildungszentrum am Max-Planck-Ring.

Rund 180 Teilnehmer sind hier am Samstag zum 16. Oberhausener Hospiztag gekommen. Nach einem Einführungsvortrag werden sechs Workshops an diesem Tag angeboten. Über 20 Interessierte besuchen nach der Mittagspause den Workshop „Zwischen Lebenswille und Todeswunsch“ mit den beiden Krankenhausseelsorgerinnen Melanie Marolt (evangelisch) und Dorothea Bertz (katholisch).

Es sind überwiegend ältere Frauen, die bei ihnen Platz genommen haben, aber auch drei Männer. Hier dreht sich alles um die Frage, ob Ärzte künftig nach ih­rem Berufsrecht todkranken Patienten auch beim Selbstmord assistieren dürfen. Bislang kann sie das ihre Arzt-Zulassung kosten.

Eine Perversion des Arztberufes?

Die Position der Kirchen ist da eindeutig. „Du sollst nicht töten“, heißt es in der Bibel. Kölns neuer Erzbischof Rainer Maria Woelki habe von einer „Perversion des Arztberufs“ gesprochen, erklärt Melanie Marolt. Die Evangelische Kirche sehe das ähnlich. Aber ihr früherer Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider habe sich privat bereit erklärt, seiner kranken Frau genau dabei zu helfen.

„Im Mittelalter wurden die Selbstmörder draußen, vor der Stadtmauer, begraben“, erinnert eine Zuhörerin. „Sie werden heute würdig bestattet“, sagt Dorothea Bertz. „Die Seelsorge gilt vor allem den Angehörigen, die sich vielleicht schwere Vorwürfe machen“, betont Marolt.

Über die persönlichen Gründe eines Schwerkranken, sterben zu wollen, könne man nicht richten, schält sich nach einiger Diskussion heraus. „Ich habe zwar eine Auferstehungshoffnung“, sagt Marolt. „Aber nicht jeder hat sie. Und ich habe furchtbar schwere Todeskämpfe erlebt“, die den Wunsch schon rechtfertigen könnten, sich das zu ersparen. Seelsorgerin Dorothea Bertz gibt zu bedenken, dass der freie Wille des Einzelnen sich unter Einfluss von Medikamenten verändern kann. Mit ihrem Mann, gesteht sie, habe sie lange darüber diskutiert. „Ich würde das Rezept (für das tödliche Gift) für ihn zwar einlösen, ihm aber nicht den Becher reichen.“ Er sei strikt dagegen, Gott entscheide, beharrt ein krebskranker Mann.

Ist schmerzfreies Sterben möglich?

Man müsse eben noch mehr für die Palliativmedizin tun, für ein möglichst schmerzfreies Sterben, sind sich die Teilnehmer einig. „Ohne Essen und Trinken hat es bei einer krebskranken 63-Jährigen, die noch 32 Kilo wog, zwei Wochen gedauert“, gibt Dorothea Bertz ein Beispiel. Solch passive Sterbehilfe lasse auch die Kirche zu.

Schwer Kranken und Angehörigen zu helfen, das hat sich der Verein Ambulantes Hospiz Oberhausen zum Ziel gesetzt. Es gibt ihn seit 1997. Er ist einer der größten bundesweit. Seine vier hauptamtlichen Mitarbeiter bilden nicht nur ehrenamtliche Trauer- und Sterbebegleiter aus, sondern vermitteln sie auch in Haushalte, Pflegeheime und Krankenhäuser. 120 Begleiter gebe es in Oberhausen, sagt der Sterk­rader Hausarzt Michael Etges, der Zweite Vorsitzende des Vereins.

Eine 65-jährige Frau aus Bottrop sitzt in seinem Workshop zum Thema „Therapieentscheidung am Lebensende“. Sie sagt: „Ich bin seit 17 Jahren krebskrank und stehe wieder vor einer neuen Therapie.“ Sie erhofft sich an diesem Samstag eine Entscheidungshilfe, ob sie das noch mal auf sich nehmen soll.