Oberhausen. Eduard Kiprsky zeigt Weltklasse-Format bei der 165. Matinee des Künstlerfördervereins im Ebertbad. Hohe Erwartungen der Zuhörer noch übertroffen.
Wie in jedem Jahr eröffnete auch in diesem der Künstlerförderverein seine Matinee-Saison am ersten Sonntag nach Neujahr vor ausverkauftem Haus. Zu Gast war der Pianist Eduard Kiprsky, der schon vor anderthalb Jahren, kurz nach seiner Ankunft aus St. Petersburg, die Zuhörer begeistert hatte. Obwohl die Erwartungen dementsprechend hoch waren, wurden sie noch übertroffen von einem Künstler, der auf geradezu überrumpelnde Weise zeigte, dass er auf dem Weg zur Weltklasse ist.
Das rein russische Programm begann mit Tschaikowskys „Nussknacker“-Suite, einer Musik, die jeder aus Sonntagsmittags-Programmen kennt. Die ungemeine Präsenz und Spannung aber, mit der jedes Motiv, auch in den Nebenstimmen, den ihm eigenen Ausdruck gewann, ließ das Ganze in einer Farbigkeit erblühen, die einer Beschwörung der unwirklichen Hoffmannschen Märchenwelt gleichkam. Auf dieser Ebene bewegten sich auch die folgenden Stücke von Tschaikowsky, drei seiner letzten aus op.72 und zwei aus „Dornröschen“.
Solist erzeugt Orchester-Klänge
Die drei Stücke aus Strawinskys „Petrouchka“ gehören zum Schwierigsten, was es für Klavier gibt, relativ wenige Pianisten wagen sich überhaupt daran. Wie man es fertigbringt, diese haarsträubenden, teils auf drei oder vier Systemen notierten Stücke so zu spielen, dass man glaubt, ein ganzes Orchester in allen seinen klanglichen Feinheiten zu hören, ist das Geheimnis von Künstlern wie Eduard Kiprsky.
Unheimlich sein Psychogramm der Holzpuppe, die am Ende auf gespenstische Weise lebendig wird. Die Bilder von Nicolai Hartmann, die Mussorgski zu seinen „Bildern einer Ausstellung“ inspirierten, sind vergleichsweise harmlos. Erst der Komponist verlieh ihnen die magisch-kosmische Dimension, die viele spätere Künstler zu Be- oder Verarbeitungen angeregt hat, beispielsweise Ravel oder den Maler Kandinsky. In der Interpretation durch Eduard Kiprsky kam diese Hintergründigkeit in allen ihren ganz verschiedenen Facetten zum Klingen.
Nach langem, heftigem Beifall zwei ganz gegensätzliche Zugaben: Der staunenswerte Flug einer rasenden Turbo-Hummel von Rimsky-Korsakow und eine sensibel durchgehörte „Träumerei“ von Schumann.“