Oberhausen. Gitarrist Archie Alert von der „Terrorgruppe“ fragt das Publikum: „Seid ihr schon zu alt für Pogo?“ Band „Knorkator“ liefert einen erfrischenden Auftritt.

Das Wochenende zwischen Weihnachten und Neujahr ist für echte Punkrocker eine ereignislose Zeit, und so trafen sich über 3000 Musikfans zum „Punk im Pott“ in der „Turbinenhalle“, um mit 24 Bands zünftig abzufeiern.

Doch aufgrund des großen Andrangs bildete sich zunächst draußen in eisiger Kälte eine lange Schlange, was zur Folge hatte, dass die Musikfans Auftaktbands wie „G 140“ gar nicht mitbekamen, obwohl die qualitativ den später spielenden Gruppen in nichts nachstanden. Insbesondere das österreichische Punkrocktrio „Missstand“ repräsentiert einmal die junge Generation des politischen Punkrocks, der beispielsweise gegen Nazis, Kapitalismus, Nationen und Abschottung steht und das unmissverständlich, wild und spielfreudig zu Protokoll gibt.

Trotzige Selbstbehauptung

Obwohl Punk seit Jahrzehnten ein Politikum ist, dessen Einstellung zur Außenwelt sich an einem Finger – dem Mittelfinger – abzählen lässt, fällt der politische Faktor allzu oft hinter Fun- und Saufpunk zurück. Es macht sich schon eine altersbedingte Gemütlichkeit und Trägheit breit, die Sänger und Gitarrist Archie Alert von der Hauptband „Terrorgruppe“ am Samstagabend zu der Frage verleitet: „Seid ihr schon zu alt für Pogo?“

Dabei reflektiert das Publikum an den beiden Tagen nur den Altersdurchschnitt der Punkrockbands selbst, der sich wie bei „Pöbel & Gesocks“ „Abstürzende Brieftauben“ oder „Lokalmatadore“ um die 50 Jahre bewegt und deren alter, aber immer noch gültiger Appell für ein besseres Leben mangels politischer Bewegung oder politischer Vertretung zu trotziger Selbstbehauptung und Durchhaltewillen verkommt.

Die immer wieder aufblitzende Altersfrage wird am überzeugend­sten vom „Knorkator“-Tastenmann Alf Ator auf den Punkt gebracht, der sich gleich mit einer Rollator-Keyboardburg um sich selber dreht.

Wiedersehen mit den Altpunkern

„Knorkator“ liefern dabei die umfassende Show, die sich gekonnt zwischen den Polen Message, Energie, Spaß und profunder Musikalität bewegt. Insbesondere Sänger Stumpen weiß mit dem Publikum umzugehen und treibt die Fans immer wieder zu akrobatischen Mitmachübungen.

Nach so einem Höhepunkt ist der Bruch umso schärfer, als mit der „Antilopen Gang“ drei Hip Hopper an den Start gehen. Ihr Geschäftsmodell als Hip Hopper ist das gespielte Außenseitertum, das sie mit Versatzstücken und Politphrasen der Vergangenheit aufladen.

Schon kurz nach Mitternacht leert sich die Halle um zwei Drittel, worunter die Darkrocker von „Fliehende Stürme“ und „Die Shitlers“ leiden müssen.

Andererseits müssen auch Punkrocker wieder Kräfte sammeln, denn schon am Sonntag geht es wieder um 11.30 Uhr mit „Schmeisig“ für die nächsten 14 Stunden bis zum Abschluss mit „Botontod“ weiter. Hier gibt es ein Wiedersehen mit den Altpunkern von den „Abstürzenden Brieftauben“, die sich 2013 reformiert haben oder „Die Kassierer“, die – auch schon seit 1983 existent – kürzlich einen Preis für ihre „Lebenswerk“ erhielten.