Mülheim. . Überraschende Wende: Der Kaufhof ist den im Rahmen des Bürgerbarometers befragten Mülheimern so wichtig, dass sie für das Areal ihr Steuergeld ausgeben wollen. Genau das hatte eine Ratsmehrheit stets bezweifelt. Der wollte statt dessen stets den Eigentümer in die Pflicht nehmen.
Seit vier Jahren steht der Kaufhof leer und verwahrlost. Die Schaufensterscheiben sind schmutzig, zerkratzt und beschmiert. Für die Kaufleute hat das spürbare Auswirkungen. Kundenfrequenz und Umsätze gehen zurück. „Die Schloßstraße ist von unten nach oben gestorben“, sagt auch Hermann Pogge, Vorsitzender der Werbegemeinschaft. Mit Investoren wurde immer wieder verhandelt, um dort Einzelhandel zu installieren.
Am weitesten kam Eigentümer Jochen Hoffmeister mit Kölbl Kruse und Rosco. Als Knackpunkt in beiden Fällen erwies sich der fehlende Ankermieter. Der konnte mit der schlechten Kundenfrequenz der Schloßstraße nicht gewonnen werden. Parallel dazu bemühte sich der Eigentümer um eine Abrissgenehmigung. Anders gesagt: Die private Lösung scheiterte immer wieder.
Vorschlag: Stadt sollte Abriss finanzieren
Vor einem Jahr dann machte SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering den Vorstoß und forderte, dass die Stadt zumindest den Abriss des Gebäudes finanzieren sollte. CDU-Fraktionschef Wolfgang Michels hielt das zunächst für eine gute Idee, ein paar Tage später und seitdem andauernd ging die CDU in umgekehrter Richtung in die Offensive. Der Eigentümer müsse in die Pflicht genommen werden, kein Steuergeld für Hoffmeister, das war die Losung, die eine Mehrheit im Rat für populär hielt.
Deswegen haben wir im Bürgerbarometer repräsentativ genau danach gefragt: Wer ist für eine Lösung mit Steuergeld? Und, siehe da, eine glasklare Merhrheit hebt den Finger. Die Parteien, von der NRZ darauf angesprochen, reagierten überrascht, konsterniert, nur sehr wenige nachdenklich, manche gar nicht.
Überraschender Trend
Dieser Trend ist auch deswegen überraschend, weil bisher alle Parteien sich in der Steuermittel-Frage sehr zurückhaltend bis strikt ablehnend geäußert hatten. Dabei ging es auch immer darum, wie die Stadt sich gegenüber Kaufhof-Eigentümer Jochen Hoffmeister verhalten solle. Die Vorstellung, dass dieser Steuermittel erhalten könnte, erschien außer der SPD vielen als skandalös. „Kein Steuergeld für Immobilienspekulation“, so lautete der Tenor, gerade von der CDU. Das klang populär. So wurde sogar schon über eine mögliche Enteignung spekuliert. Die Bevölkerung aber, die da umgarnt wurde, sieht das ganz anders. Und jetzt?
„Die Bürger haben eine realistische Sicht. Wir fühlen uns bestätigt“, sagt SPD-Fraktionsgeschäftsführer Claus Schindler. „Wir sind auch nicht dafür, dass voraussetzungslos Steuermittel eingebracht werden.“ Aber: „Wir können nur in Kooperation mit Herrn Hoffmeister zu einer Lösung kommen.“ Und da sei es gut, wenn diese Option nicht ausgeschlossen sei.
„Wir wünschen uns Pioniergeist“
Die Ergebenisse würden keine eindeutigen Schlussfolgerungen erlauben, meint MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard. Auch er räumt aber ein: „Mit Fördermitteln könnte der Kaufhof billigst abgerissen und zum begrünten Platz werden.“
Die Grünen schauen nach Gelsenkirchen-Buer. Dort hatte eine ortsansässige Investorengruppe sich zusammengeschlossen, um ein leerstehendes Kaufhaus in der City wieder attraktiv zu machen. Dort sei also nicht auf städtische Gelder geschielt worden. „Solchen Unternehmer- und Pioniergeist wünschen wir uns auch“, so Tim Giesbert und Brigitte Erd. Es müsse sich nun zeigen, ob Hoffmeister Realitätssinn zeige. So bleibe man bei der Position: „Kein Steuergeld bei unternehmerischer Fehlkalkulation.“ Auch die AfD hält weiter daran fest, keine Steuermittel zu verwenden.
Verständnis für die Interessen des Eigentümers
Die FDP zeigt Verständnis für die Interessen des Eigentümers. Es sei legitim, wenn dieser oder andere Investoren Geld verdienen wollten. Sie seien es, die Lösungen voran bringen würden. Nicht die Politik. Investoren dürften nicht durch Debatten verschreckt werden. Die Politik solle sich also zurückhalten - und da geht die FDP voran.
Die Piraten interpretieren die Ergebnisse so: Die Menschen wollten, dass „an dem Standort endlich etwas Entscheidendes passiert.“ Den Einsatz von Steuergeldern lehnen die Piraten gleichwohl ab.
„Der Schandfleck soll endlich verschwinden“
Ähnlich sieht es auch Sabine Schweizerhof von AUF. „Dieser Schandfleck soll endlich verschwindet.“ Deswegen würden die Menschen nun sogar für die Steuergeld-Lösung plädieren. „Aber das ist aus grundsätzlichen Erwägungen für uns auch jetzt noch abzulehnen.“
„Das Allerschlechteste in der Politik sind Nichtentscheidungen“, sagt Andreas Rohde, Vorstandssprecher des Bündnisses für Bildung. Politik und Verwaltung hätten sich nicht in der Lage gezeigt, solche Entscheidungen zu treffen. Es stelle sich daher die Frage, ob die Bürger nicht direkt befragt werden sollten. Dann käme man, wie das Bürgerbarometer beweise, vermutlich zu eindeutigen Ergebnissen.
Für einen Bürgerentscheid plädiert auch Achim Fänger vom Bündnis für Bürger. Ansonsten ist er dafür, den Eigentümer unter Druck zu setzen. Der habe sich schlicht verspekuliert. Die übrigen Parteien, darunter auch die CDU, haben auf die Anfrage nicht reagiert.
Blödes Thema
Und Eigentümer Hoffmeister, für den der Kaufhof noch immer einen Wert zwischen fünf und sieben Millionen Euro hat und der in jedem Jahr dort hunderttausende Euro verliert? Das Ergebnis des Bürgerbarometers freut ihn, natürlich; mehr mag der erfahrene Taktierer zu dem „blöden Thema“ aber nicht sagen.
Derweil präsentierte die WGI pünktlich zum Promenadenfest eine Lösung, wie im Kaufhof wenigstens der Leerstand kaschiert werden kann.