Mülheim. Er ist seit 2001 fest in der Mülheimer Kunstszene verwurzelt und strahlt doch weit über sie hinaus. Hardy Bock ist ein Autodidakt, der sich die Wildheit seiner Phantasie auch im Kunstbetrieb erhalten möchte. Für sein nächstes Projekt hat er sich einen ungewöhnlichen Ort ausgesucht: den Kaufhof.
Was ist Kunst und wer ist ein Künstler? Und kann man davon überhaupt leben? Diesen Fragen sieht sich der Mülheimer Hardy Bock beizeiten ausgesetzt und schmunzelt darüber. „Ich bin frei erschaffender Künstler“, sagt er von sich selbst und beobachtet immer wieder gern, wie sein Gegenüber ob dieser Formulierung ins Grübeln gerät. Dennoch ist der im rumänischen Sibiu geborene Bock längst ein fester Bestandteil der Mülheimer Kunstszene: Bereits 2001 gründete er mit anderen das Künstlerkollektiv „artenoir“, das sich vier Jahre später in „ZeitgenossenSchaft“ umbenennen und den Mülheimer Kunstraum betreiben sollte. Die Gruppe wurde 2007 mit dem Förderpreis „Ruhpreis für Kunst und Wissenschaft“ der Stadt Mülheim ausgezeichnet.
Im Jahr 2004 stellte er erstmals in der Ruhrstadt aus, im Rahmen der Ausstellung „artenoir allstars“ im Autonomen Zentrum. Es folgten Ausstellungen in der Sparkasse (2007) sowie im Kunstmuseum Alte Post: 2008 unter dem Titel „Die geistige Emigration“ und im vergangenen als Beteiligter an der Jahresausstellung Mülheimer Künstler.
Fernab der Universitäten
Zum Establishment gehört Hardy Bock deswegen noch lange nicht. Im Gegenteil: Der 34-Jährige ist ein Rebell – und das spiegelt sich sowohl in seinem Schaffen als auch in seinem Denken wider. „Ich bin Autodidakt“, so Bock. Natürlich habe er auch mal darüber nachgedacht, Kunst zu studieren und den konventionellen Weg zu gehen, aber die Idee schnell wieder verworfen. „Universitäten machen keinen Künstler. Es ist schön, zumindest mal kennenzulernen, was es alles gibt. Dafür sind Universitäten gut. Das Wichtigste aber, ist das Experimentieren, das Ausprobieren.“ Denn die meisten Bildungseinrichtungen, findet Hardy Bock, schleifen ihre Studenten zu sehr, nehmen ihnen die Identität.
„Im schlimmsten Fall drückt der Dozent einem seinen Stil auf und dann ist man nur noch eine Kopie.“ Als Beispiel zieht er die Zeichnung eines Wolfes heran: „Man beginnt mit Fellstudien und eignet sich wunderbare Techniken an, um das Fell auch auf dem Papier gut aussehen zu lassen. Aber gleichzeitig denkt man dabei zuviel nach und was am Ende dabei herauskommt, ist eine wunderschöne technische Zeichnung.“ Das, worauf es bei dem Wolf aber eigentlich ankomme, nämliche die Wildheit und das Unzähmbare, sei verloren gegangen. „Da kann eine schnelle Skizze mit einem selbstgeschnitzten Stöckchen, das kurz in ein Tintenfass getaucht wurde, wesentlich authentischer sein, weil die das Wesen des Wolfes dann auch wiedergibt.“ Deswegen, sagt Bock, sei er Autodidakt und wolle es auch bleiben – um sich seine eigene Wildheit zu bewahren. Sein Erfolg gibt ihm Recht: Mittlerweile hat er im gesamten Bundesgebiet seine Spuren hinterlassen, zuletzt waren seine Bilder in Korea zu sehen.
Hatari als persönlicher Urknall
Zur Malerei ist er im Alter von fünf Jahren gekommen. Damals wohnte er noch in Transilvanien, jener rumänischen Region, die von Mythen und Sagen umrankt ist. „Als Kind habe ich eigentlich nie gemalt“, erinnert sich der Künstler. „Ich habe eher anderen Kindern dabei zugesehen, aber mich selbst hat es nicht interessiert.“ Dann, es war ein Samstagnachmittag, lief im Fernsehen ein Film mit John Wayne: Hatari. Bock: „Ich weiß noch heute, wie sich die Bilder des Films in meine Netzhaut gebrannt haben“, beschreibt er sein persönliches Urknall-Erlebnis. Sofort nach dem Film lief er zu seiner Mutter und bat um ein Blatt Papier und einen Bleistift. „Das lag ja damals nicht einfach so herum.“ Aus dem Gedächtnis brachte er dann drei Szenen des Films aufs Papier. „Das war fast schon eine Art Automatismus“, sagt er. „Ich habe das Muster der Giraffen, die ich in den Filmen gesehen habe, oder die Lichtpunkte in ihren Augen einfach auf das Papier übertragen. Es war, als hätte ich seit meiner Geburt Details in meinem Kopf gesammelt und nur auf den richtigen Auslöser gewartet.“ Danach, erinnert sich Hardy Bock, sei er sehr erschöpft gewesen, geradezu ausgelaugt.
Jahresausstellung im Kunstmuseum
Sein Vater, der ebenfalls in seinen Jugendtagen gern gezeichnet hat, aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse im damaligen Rumänien einen Vollzeitjob annehmen musste, erkannte das Talent des Jungen und förderte es. „Er hat mir nach und nach immer mehr Dinge gezeigt, mir aber auch Raum zur Entfaltung gelassen.“ Einmal habe der Vater gesagt „Wir gehen jetzt Pferdeköpfe zeichnen“, denn das war das, was er selbst gelernt hatte. „Wir haben dann stundenlang einfach nur beobachtet und die verschiedensten Formen beobachtet, bis überhaupt der erste Strich auf dem Papier war“, so Bock.
Seit 1984 lebt Hardy Bock nun in Mülheim, seitdem ist er der Stadt treu geblieben, auch wenn er nicht selten den Blick über den Tellerrand der Stadtgrenze wagt. Sein nächstes Projekt ist für Mitte Mai geplant. Dann will er gemeinsam mit der Dezentrale das alte Kaufhofgebäude zum Kunstraum machen und seine Bilder in den Schaufenstern des ehemaligen Kaufhauses ausstellen. Ob das klappt, steht zurzeit noch in den Sternen.