Mülheim/Ruhr. . Zuerst erschreckten sie die Sekretärin in der NRZ-Lokalredaktion, dann griffen sie in einer Arztpraxis an der Schloßstraße zu: Am Freitagvormittag waren in der Mülheimer Innenstadt drei Trickdiebe unterwegs. Für die Polizei ein allzu vertrautes Problem. Reisende Diebe erschweren ihr oft den Alltag.

Die Sekretärin der WAZ-Reaktion hatte großes Glück, sie kam erst Minuten nach dem Vorfall zur Arbeit. Ihre Kollegin von der NRZ, deren Büro nur eine Etage höher liegt, war hingegen am Freitagmorgen gegen 9.30 Uhr schon am Werke – und bekam es daher mit drei Männern zu tun, die ganz offenkundig Böses im Schilde führten.

Der erste Mann, der unvermittelt vor dem Schreibtisch der Sekretärin auftauchte, hielt ihr einen Zettel hin, „und da stand etwas von Unterschriftensammlung für Taubstumme und Schwerhörige“, so die 47-Jährige. „Das war aber dilettantisch gemacht.“ Nur Sekunden nach diesem ersten Mann betraten zwei weitere Unbekannte die Redaktion und hielten gezielt auf angrenzende Räume zu. Das wollte die Sekretärin unbedingt verhindern – „und ich habe wie eine Furie ,Ey, raus hier’ gebrüllt“. Da sei das Trio sofort abgehauen.

Ein teures Handy wurde geklaut

Das Zeitungshaus verließen die Männer, so viel ist sicher. Nicht ganz so sicher ist, ob sie es auch waren, die nur Minuten später in einer Arztpraxis an der Schloßstraße auftauchten. „Der Zusammenhang ist aber ziemlich wahrscheinlich“, sagte Lars Lindemann, Sprecher des Polizeipräsidiums Essen/Mülheim, gestern auf WAZ-Nachfrage.

Die Masche war jedenfalls exakt dieselbe: Gegen 10 Uhr kamen drei Männer in die Praxis, „und signalisierten, sie seien taubstumm“, so Lindemann. Als einer von ihnen plötzlich unvermutet aus einem Sprechzimmer kam, habe man das Trio rasch herauskomplementiert. Und bald festgestellt, dass ein teures Handy geklaut worden war. . .

Laut Polizei handelte es sich bei den mutmaßlichen Tätern um „Leute mit südländischem Aussehen“, die allesamt zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, kurze, dunkle Haare haben und dunkle Jacken sowie Jeans trugen. Einer der Männer sei deutlich kleiner gewesen als die anderen – so zwischen 1,60 und 1,65 Meter – und einer sei aufgefallen durch ein sehr vernarbtes Gesicht. Die Polizei hofft auf Hinweise von Zeugen: 0201/82 90.

Bei den Tätern handelt es sich möglicherweise um „reisende Diebe“

Bei den Tätern handelt es sich möglicherweise um „reisende Diebe“, um Menschen also, die den Ermittlungsbeamten immer größere Probleme bereiten. „Sie werden morgens aus anderen Städten hierhin gefahren und abends – mit hoffentlich vollen Taschen – wieder eingesammelt“, so Lindemann.

Erst ablenken, dann zugreifen

Mal gilt es als Trickdiebstahl, mal als Trickbetrug und manchmal sogar als Raub – die strafrechtliche Bewertung der Taten unterscheidet sich oft nur in Nuancen, erklärt Polizeisprecher Lars Lindemann. Den Opfern dürfte dies ohnehin egal sein; für sie haben die Delikte so oder so schlimme Folgen. In vielen Fällen wurde ihre Hilfsbereitschaft ausgenutzt – das tut besonders weh. Der Polizist gibt kleine, aber feine Tipps zur Prävention:

1Aufmerksam sollte man sein, wenn ein oder mehrere Menschen – das können durchaus schon Mädchen von 12, 13 Jahren sein – gezielt auf einen zuhalten und beispielsweise mit einem Stadtplan in der Hand nach einer Örtlichkeit wie einer Klinik fragen. Unter dem großen Plan nämlich haben sie viel Platz, um fingerfertig zum Diebstahl anzusetzen. „Deshalb kann man ruhig auch Nein sagen bei einer solchen Nachfrage.“

2Obacht ist auch geboten nach dem Gang zum Geldautomaten, denn Langfinger spähen solche Orte gern aus. „Wir raten deshalb gerade älteren Menschen nur in Begleitung zur Bank zu gehen und das Geld in Innentaschen oder Brustbeuteln zu verstauen.“

3Ältere werden oft Opfer. Deshalb sei es zudem clever, einen Vornamen, der vorzugsweise vor Jahrzehnten vergeben worden ist, im Telefonbuch und auf dem Klingelschild nur mit dem Anfangsbuchstaben zu vermerken.

Gezielt nach den Tätern zu suchen, hinter denen oft ganze Familienclans ständen, sei schwierig, weil sie „heute in Mülheim, morgen in Essen und übermorgen in Duisburg“ unterwegs sind. Die Täter handelten auch längst nicht immer nach dem gleichen Muster: „Sie haben verschiedenste Tricks auf Lager“, so der Polizist.