Mülheim. . Beim Projekt „Ruhrorter“ hat Sabrina Padderatz gelernt, wie man sich durch künstlerische Ausdrucksformen neu erfinden kann. Sabrina Padderatz (19) wurde in Casablanca, einem Hafen und der größten Stadt Marokkos geboren.
Sabrina Padderatz (19) wurde in Casablanca, einem Hafen und der größten Stadt Marokkos geboren. Ihr Vater arbeitete dort als Chefkoch des Königshauses um Mohammed VI. Obwohl ihr Vater aus Deutschland kam, sprach man Zuhause Französisch und marokkanisches Arabisch.
Sabrina ging zur Schule bis ihre Eltern entschieden, nach Deutschland zu ziehen, wo sie Deutsch lernen sollte. Ihre Brüder gingen nicht mit. Sie leben nun in Frankreich und Marokko. Als Sabrina ihre Heimat verließ, war sie gerade in der achten Klasse. In Deutschland ging sie zuerst auf die Gesamtschule Saarn, wo sie den Hauptschulabschluss machte, bevor sie am Berufskolleg Von-Bock an der Fachoberschulreife arbeitete. Sie versucht nun eine Ausbildung zu finden, die sie gerne im Bereich der Krankenpflege absolvieren würde.
Manchmal lachen Leute noch
„Eigentlich wollte ich Pilotin werden, aber diesen Traum habe ich in Deutschland erstmal vergessen – als ich ankam konnte ich kein Wort der Sprache. In der Schule verstand ich wenig, alle lachten über mich. Ein Jahr lang hatte ich keine Freunde und habe viel geweint, bis ich mir ein Wörterbuch nahm, um Wort für Wort die Sprache zu lernen. Auf der Abendschule und über Nachhilfe lernte ich dann genügend Deutsch, so dass ich gut zurecht kam. Heute habe ich keine Sorgen mehr, dass ich nicht akzeptiert werde. Manchmal lachen Leute noch über meinen weichen Akzent, aber ich finde es eher witzig.
Wenn es mir doch mal nicht so gut geht, dann gehe ich bei uns Zuhause in den Keller, da haben wir eine Musikanlage. Mit meiner Schwester tanze ich dort. Ich mag es, durch Bewegungen und Tanz meine Stimmung positiv zu beeinflussen.
Musik und Tanz sind meine Sprache – Theater meine Freiheit. Ich begann im letzten Jahr schon in Adem Kösterelis Projekt „Ruhrorter“ am Theater an der Ruhr, aber ich konnte wegen diverser Probleme nicht bis zum Ende mitmachen. Dieses Jahr war ich sofort von Anfang an dabei.
Auch wenn ich kein Flüchtling oder Asylbewerber im eigentlichen Sinne bin, gehen mir die Schicksale dieser Menschen sehr nahe.
Viele meiner Schulfreunde sind aus ihrer Heimat geflohen und wir sprechen viel miteinander. Ich habe von den anderen Teilnehmern des Projektes ganz neu gelernt, wie man mit dem Theaterspiel auf der Bühne mit seinen Problemen umgehen kann, wie man sie verarbeitet, sich von ihnen distanziert, über sie nachdenkt.
Ich habe gelernt, welche Freiheiten einem dort geboten werden, sich neu zu erfinden. Durch die Konzentration rege ich mich auch nicht mehr so häufig auf, ich bin ein nachdenklicherer Mensch geworden. Wenn ich weine oder sauer werde, erinnere ich mich an diese Konzentration und ich werde ruhig, vergesse den Stress.“
Geister der ehemaligen Bewohner
„Als ich zum ersten Mal in dem Gebäude an der Ruhrorter Straße erschien, gingen mir tausend Gedanken durch den Kopf: Wie haben die Leute hier gewohnt? Sind ihre Geister noch hier? Ich fühle mich ein wenig wie in einem Gefängnis, wenn ich durch die Gittertore am Eingang rein- und rausgehe. Wenn ich spiele, vergesse ich diese Angst, aber in jeder Pause schaue ich mir die Wände und Fenster an und denke nach über die ehemaligen Bewohner. Die Zuschauer werden vielleicht auch alles so wahrnehmen wie ich, auch wenn sie selbst keine Flüchtlinge sind. Es ist mir wichtig, zu zeigen, dass man sich auch als Deutscher oder Migrant ohne Fluchthintergrund mit dem Thema durch Theater auseinandersetzen kann.“
Die WAZ begleitet das Projekt mit Flüchtlingen im ehemaligen Asylbewerberheim an der Ruhrorter Straße 110. Das Theaterstück „Zwei Himmel“ von Adem Köstereli hat dort am Dienstag, 6. Mai, 19.30 Uhr, Premiere. Im Anschluss wird eine Kunstinstallation von Wanja van Suntum eröffnet. Info: 599 01 88, www.ruhrorter.com.