Mülheim. Nächtelanges Zocken und kaum soziale Kontakte: Der Mülheimer Suchtexperte Hans-Jürgen Haak von der Ginko-Stiftung mahnt Eltern, die Mediensucht ihrer Sprösslinge ernst zu nehmen. “Viele Eltern haben immer noch keine Ahnung, wie Computer-Spiele funktionieren“, sagt Haak im WAZ-Interview.

Mediensucht nimmt ­rasant zu. Mit den Angeboten steige auch die Zahl der Betroffenen, wissen die Experten der Mülheimer Ginko-Stiftung. Suchtexperte und Berater Hans-Jürgen Haak er­läutert im Interview mit dieser ­Zeitung Details und gewährt Einblick in die Lebenswelt seiner Klienten.

Was macht Online-Spiele interessant?

Hans-Jürgen Haak: Mit Clans und Gilden gibt es Gruppen, die man mit Sportvereinen vergleichen kann. Es geht also auch darum, sich alleine oder mit Mitspielern zu beweisen.

Reizt es Spieler, dass Erfolge erzielt werden können, ohne sich körperlich stark zu betätigen?

Haak: Natürlich wollen Spieler ihr ­Selbstbewusstsein steigern. Die ­Erfolgsaussicht existiert bei Online-Spielen genauso wie im echten Sport. Das Bewegungs­Level eines Computer-Spielers ist aber gerade einmal so hoch wie das eines Büroangestellten. Für den Muskelaufbau ist das Verhalten ungesund.

Pflegen Online-Spieler nicht auch Freundschaften mit ihren Mitstreitern?

Haak: Natürlich. Aber die Online-Kommunikation deckt nur etwa 40 Prozent von dem ab, was wir als soziale Kommunikation bezeichnen.

Haben Spieler im echten Leben mehr Probleme, Kontakte zu knüpfen?

Haak: Manche unserer Klienten haben soziale Ängste. Für sie sind reduzierte Kontakte leichter zu bewältigen. Der soziale Austausch mit ihren Mitmenschen ist online weniger gefährlich. Schüchternen Jugendlichen hilft das vielleicht, aber es wird zum Problem, wenn sie diesen Zustand akzeptieren. Kontakte im echten Leben zu knüpfen, kann für sie damit immer schwieriger werden.

Betreiben Online-Spieler nicht eine Art Denksport?

Haak: Sportliches Denken und PC-Spielen schließen sich nicht aus. Solange ein soziales Leben vorhanden ist, kann auch mal eine Nacht durchgespielt werden. Wenn das jedoch zur Regelmäßigkeit wird, sollten sich Spieler Gedanken machen.

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Eltern?

Haak: Eine wichtige. Doch viele Eltern haben immer noch keine Ahnung, wie Computer-Spiele funktionieren. Und sie wissen auch nicht, welche sozialen Gefüge es in der Online-Welt gibt. Wir zeigen ihnen Wege, wie sie mit ihren Kindern über dieses Thema sprechen können.

Merken Jugendliche selber, wenn sie zu viel spielen?

Haak: Sicherlich. Und sie wollen es dann auch einschränken. Allerdings wissen sie noch nicht, wann sie aufhören wollen. Eltern fordern oft, dass ihre Kinder sofort offline gehen. Es ist aber wichtig, dass der Konsum auf ein unschädliches Maß reduziert wird. Das gelingt meist besser, wenn es schrittweise erfolgt.

Kommen die Jugendlichen selbst zu Ihnen?

Haak: Selten. Meistens bitten uns Eltern, Partner oder Freunde um Rat.

Sind Unternehmen für Spielsucht mitverantwortlich?

Haak: Selbstverständlich. Jugendliche können schließlich nicht sofort den richtigen Umgang mit der Werbung der Medienkonzerne kennen. Die Unternehmen sagen ihnen nur: Konsumiert!