Mülheim. Das Freizeitdomizil am Entenfangsee ist für viele längst zum Wohngebiet geworden. Nun wird alles in Frage gestellt, denn ein Bundesgesetz untersagt es, im Erholungsgebiet einen Erstwohnsitz zu unterhalten. Die Stadt hat genau dies aber jahrelang geduldet und gerät ins Visier der Landesregierung.
Andreas Baldus und seine Frau Yrida sind in Aufruhr. Das Ehepaar, seit dem 2. Januar 2013 mit erstem Wohnsitz am Entenfang 7 gemeldet, hat sich zu 100 Prozent für ein Leben im „Freizeitdomizil am Entenfangsee“ entschieden, die Stadtwohnung dafür aufgegeben.
Auf ihrer 350 m² großen Parzelle haben sie ein großes und zwei kleine Blockhäuser errichtet, rund 100.000 Euro in ihr neues Heim gesteckt, das idyllisch am See zwischen den Städten Mülheim und Duisburg liegt. Nun wird diese Lebensentscheidung in Frage gestellt, denn die Landesregierung hat die Stadt Mülheim aufgefordert, die Anzahl der illegalen Erstwohnsitze am Entenfang festzustellen.
Baldus wusste von nichts
„Darauf wurde ich bei der Ummeldung am Einwohnermeldeamt nicht hingewiesen“, so Baldus, obwohl die Problematik dort bekannt sein sollte. „Ich wusste auf alle Fälle nichts davon“, bekräftigt Baldus.
Am Entenfang seien Erstwohnsitze eigentlich nicht gestattet, da die Anlage in einem Erholungsgebiet liege, so Dietmar Harsveldt, Inhaber des Platzes auf Mülheimer Stadtgebiet, auf dem über die Jahre rund 550 Menschen ihren Erstwohnsitz bei der Stadt unbeanstandet angemeldet hätten. Es müsse endlich eine Gesetzesänderung des Paragrafen 10 der Baunutzungsverordnung (Sondergebiete, die der Erholung dienen) her. Die sei lange überfällig, findet Harsveldt, der in ganz NRW ähnliche Freizeitanlagen besitzt.
Petition an die Bundesregierung
Allein rund 30.000 Menschen in NRW, schätzungsweise 400.000 im ganzen Bundesgebiet, leben dort, wo andere nur ihre Freizeit verbringen. „Das sind Menschen, deren Kinder groß sind, die in ihre letzte Lebensphase eintreten, viel reisen und ihre Stadtwohnungen oder Eigenheime für ihre Freiheit aufgegeben haben“, erklärt Harsveldt, der in diesen Tagen eine Petition für eine Gesetzesänderung nach Berlin schickt und auch auf EU-Ebene aktiv werden möchte.
„Jeder Mieter ist zwar selber verantwortlich, aber ich werde die Sache mit meinen Anwälten in voller Kostenübernahme durchfechten“, so Harsveldt entschlossen. Mülheim habe sicherlich auch nichts gegen diesen Standort, denn da das Gelände in seinem Privatbesitz sei, kämen auf die Stadt keine Infrastruktur-Ausgaben zu.
Bereits viel Geld in den Wohnsitz investiert
Wahrscheinlich werde die Stadt versuchen, eine Stichtagsregelung auszuhandeln, vielleicht zum 1. Januar 2013. Alle, die danach hier ihren Erstwohnsitz angemeldet hätten, würden dann aufgefordert, sich eine andere Erstadresse zu suchen, erläutert Harsveldt. Aber das löse das Problem nicht und die hochwertigen Blockhäuser und Mobilheime, oft komfortabel ausgebaut, verlören in diesem Fall enorm an Wert.
„Wir haben Fußbodenheizung verlegt und möchten im Gartenhaus eine Wellness-Oase einrichten“, sagt Andreas Baldus. „Wenn wir hier nicht dauerhaft wohnen dürfen, wäre alles umsonst!“
Baudezernent: „Wir werden kein Porzellan zerschlagen“
„Die ganze Angelegenheit ist ein Dilemma. Wir müssen gucken, wie es weitergeht“, sagt Baudezernent Peter Vermeulen zur Sache. Er sehe in erster Linie das Schicksal der Menschen, die sich dort wohlfühlten und die nun Angst hätten, dass sie nicht bleiben können. „Ich bin in erster Linie Anwalt der Menschen“, bekräftigt er. In anderen Städten werde unterschiedlich reagiert, oft lege man es darauf an, „das Problem irgendwie auszuschleichen“.
Er sei aber der Meinung, dass der Gesetzgeber draufschauen sollte. Den Städten seien die Hände gebunden, so Peter Vermeulen. „Wir werden nicht Porzellan zerschlagen, bevor wir dazu aufgefordert oder gezwungen werden“, fügt der Dezernent beruhigend hinzu.
Prüfung der Adresse nicht Aufgabe der Stadt
Die Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld werde das Thema auf dem Städtetag auf Landesebene diskutieren. „Wir als Stadt haben weder ordnungsrechtlich noch baurechtlich ein Problem mit der Situation.“
Man dürfe dort auch seinen Erstwohnsitz anmelden, denn das vorrangige Ziel der Meldung sei, dass ordnungsbehördlich angezeigt wird, wo man überwiegend erreichbar sei. Dem Melderecht sei egal, wo man schlafe. Es sei nicht Aufgabe der Stadt, die Adresse zu überprüfen.