Mülheim. Ingeburg Giolbass (84) lebt im Franzsikusstift. Für einen Kalender mit Filmszenen posierte sie in der berühmten Marilyn Monroe-Szene aus “Das verflixte 7. Jahr“. Und Mülheimer Johann Liedtke (92) stellt Patrick Swayze aus “Dirty Dancing“ dar. Die Bilder sorgen weltweit für Aufsehen.
Ingeburg Giolbass (84) ist für jeden Schabernack zu haben und der quicklebendige Beweis dafür, dass auch ein Leben im Altenheim spannend, spaßig und aufregend sein kann. Kommt eben darauf an, was man daraus macht. „Ich leb’ volle Pulle“, lacht sie. Als die Bewohnerin des Franziskusstifts an der Ruhr für einen Kalender als Marilyn Monroe posierte, ahnte sie allerdings nicht, dass sie heute Autogramme geben muss.
Eigentlich sollte es ein Projekt sein nur für die zehn Wohnheime des Essener Betreibers Contilia, der fertige Kalender (5000 Exemplare wurden gedruckt) eine Weihnachtsgabe für die 900 Bewohner, Mitarbeiter und Angehörige. Doch Berichte über die betagten Fotomodels im Alter von 75 bis 98 Jahren schlugen weltweit Wellen der Aufmerksamkeit. Auch drei Senioren-Models aus dem Mülheimer Franziskusstift stehen seitdem mitten drin in diesem ganzen Rummel – und genießen es.
„Patrick Swayze von der Ruhr“ ist 92
Johann Liedtke (92) spielte für die Aufnahme den „Patrick Swayze von der Ruhr“ in einer Szene aus dem Tanzfilm-Klassiker Dirty Dancing, hebt mit nacktem Oberkörper Marianne Pape (79) als ebenfalls hoch betagte Frances. Der sportliche Kraftakt wurde allerdings am Computer montiert. Ingeburg Giolbass (84) und Erich Endlein (88, früher Pfarrer von St. Engelbertus) stellen die berühmte Monroe-Szene aus „Das verflixte 7. Jahr“ nach, in der überm Luftschacht der New Yorker U-Bahn der weiße Rocksaum wirbelt.
Die Bilder und ihre Botschaft versteht jeder
Nachdem ein erster Bericht über das Projekt in der Essener WAZ erschien, brach ein beispielloser Medienrummel los. In Uruguay und Neuseeland, Dänemark und Frankreich wurden die Fotos gedruckt. Sie wurden weltweit tausendfach im Internet geteilt und diskutiert.
Kein Wunder: Die Bilder und ihre Botschaft versteht jeder auf Anhieb. Jeder kennt die Filmszenen, jeder weiß, dass die Menschen heute älter werden und aktiv bleiben wollen. Die Filmstars voller im Leben ehrlich verdienter Falten werben dafür, dass man freudvoll und stolz mit dem Alter umgehen kann. „Wir wollten mit den Fotos Generationen verbinden. Das ist uns weltweit gelungen“, sagt Dorothee Renzel. „Weil die Welt nie schläft, bekommen wir täglich 24 Stunden lang E-Mails.“ Ingeborg Giolbass staunt über den Rummel: „Das ist der Hammer.“
Auch wenn es die Möglichkeit dazu gäbe: Kommerziell genutzt werden sollen die Bilder nicht. Zwar wird der mittlerweile vergriffene Kalender noch einmal in kleiner Stückzahl nachgedruckt, aber nur für diejenigen, die bis Mitte Februar über die Contilia GmbH um ein Exemplar bitten. Ansonsten bleibt es bei dem, was eine Schweizer Zeitung schrieb: „Ein Erfolg, aber leider unverkäuflich.“
Der große Spaß macht Lust auf mehr: „Ein neues Projekt ist in Planung. Aber wir verraten noch nichts“, lacht Dorothee Renzel.
Der Kalender ist einmal mehr ein Projekt des Heimbetreibers, mit dem der Alltag durchbrochen werden soll, das Abenteuer schafft und Generationen verbinden will, erklärt Contilia-Sprecherin Dorothee Renzel. 2011 gab es ein ähnliches Projekt. Damals stellten Essener Senioren in der Gruga Märchenszenen nach.
Und nun also geht’s mit den Filmbildern durch ein Jahr: Neben dem Monroe-Klassiker und Dirty Dancing finden sich in dem Kalender der Boxer Rocky, Mary Poppins, James Bond oder die coolen Blues Brothers. Alle liebevoll im Gladbecker Studio Werntges inszeniert und in Würde gealtert. Für jedes Bild nahm sich das Team einen ganzen Tag Zeit.
Eine Dame vom Fach
„Mir war wichtig, dass sie mich nicht auf jung trimmen“, lacht Ingeburg Giolbass. Zurechtgemacht für die Aufnahmen hat sie sich lieber selbst. Schminken, die Haare – „da lass’ ich keinen ‘ran. Ich bin ja vom Fach.“ Bis zum 60. Geburtstag war sie mit einem Damensalon selbstständig.
Großes Kino im Seniorenheim
Das entstandene Bild gefällt auch ihren beiden Söhnen, den Schwiegertöchtern und den drei Enkeln. „Verrückt wie immer, haben sie gesagt“, erzählt Ingeburg Giolbass vergnügt. Verrückt? Auf jeden Fall lebenslustig: Mit 70 wollte sie einen Fallschirmsprung wagen (haben die Angehörigen ihr ausgeredet), im letzten Jahr hat sie dafür in einem Doppeldecker („Der rote Baron“) eine Luftrunde gedreht.
Auch Johann Liedtke hat die Mitarbeit an den Filmklassikern viel Spaß gemacht. „Dass man so etwas erlebt, hätte ich mir nicht träumen lassen“, lacht der 92-Jährige. Zwar ist er seit zwei Jahren Witwer und sitzt im Rollstuhl. „Aber ich bin zufrieden. Vor allem, dass ich den Verstand noch habe und weiß, wo vorne und hinten ist.“
Monroe-Fans bitten um Autogramm
Der frühere Maurer hat noch einiges vor: „Meine Mutter ist auch hundert Jahre alt geworden“, lacht er. Die Filmszenen, die sie nachstellen sollten, kannten übrigens beide bis zu der Fotoaktion nicht. Ingeburg Giolbass: „Ich geh’ lieber ins Theater.“
Und dann schiebt Projektleiterin Katja Grün der Marylin von der Ruhr einen Abzug ihres Fotos über den Tisch und bittet um eine Unterschrift. Ein Monroe-Fanclub hat darum gebeten...