Mülheim. Ein Schulbeispiel aus Styrum zeigt, wie man schwierige Fusionen durch einen intensiven Dialog mit den Eltern meistern kann. Die beiden konfessionellen Grundschulen sind bald Vergangenheit.

Die Schilder Evangelische und Katholische Grundschule stehen noch. Doch die Zukunft an der Zastrowstraße ist nicht mehr konfessionell. „Wir werden im kommenden Schuljahr zur mehrkonfessionellen Gemeinschaftsgrundschule“, erklärt Maria Reimann. Noch leitet sie die Katholische Grundschule. Zukünftig wird sie mit ihrer Konrektorin Vera Glunz eine Schule leiten, „die“, wie sie sagt „der erste Mosaikstein einer neuen Schullandschaft in Styrum sein wird.“

Doch Styrum könnte überall sein. Denn der demografische Wandel sorgt dafür, dass auch anderen Schulstandorten die Frage beantwortet werden muss: Wie macht man aus zwei Schulen eine Schule, in der das Gemeinschaftsgefühl und der gute Geist der Bildung nicht auf der Strecke bleiben?

„Wir haben den Mangel sinkender Schülerzahlen in etwas Positives verwandelt“, sagt Maria Reimann heute im Rückblick auf den Dialog- und Konzeptionsprozess, der bereits vor zwei Jahren mit einer Zukunftswerkstatt begann, in der Lehrer, Eltern, Politiker und Verwaltungsfachleute die Idee einer Gemeinschaftsgrundschule als Teil einer zukünftigen Stadtteilschule mit den Standorten Zastrow- und Oberhausener Straße entwickelten.

Eltern waren gut eingebunden

„Das Besondere an diesem Konzeptionsprozess war, dass die Politiker und Fachleute nicht den Ton angegeben, sondern mit Lehrern und Eltern auf Augenhöhe diskutiert und ihnen zugehört haben“, erinnert sich Vera Glunz. Diesem positiven Beispiel folgten die jeweils 13 Lehrer der katholischen und evangelischen Grundschule an der Zastrowstraße auch, als es nach dem Ratsbeschluss vom Juni 2012 an die konkrete Arbeit ging. Sie folgten von Anfang an dem Rat ihrer externen Fachbegleiterin Gisela Schulte-Braucks-Burghardt: „Stellt die Elternarbeit ganz oben an.“

So wurden die Eltern sofort in den Leitbildprozess einbezogen. Foren und Cafés, in denen Eltern ihre Sorgen, Wünsche und Ideen einbringen können, wurden zu einer festen Einrichtung. Und so kam es, dass nicht nur die Lehrerkollegien, sondern auch die Eltern eine Steuerungsgruppe gebildet haben, um den Fusionsprozess zu begleiten. Außerdem gibt es Baustellenteams, in denen Lehrer und Eltern gemeinsam an bestimmten Themen arbeiten. „Das macht unsere Arbeit leichter, weil sich alle Eltern gut informiert fühlen“, sagt Vera Glunz.

„Wir haben aber auch viele Zaungespräche geführt, um Ängste auszuräumen, die bei so einer Umwälzung immer aufkommen. Dabei haben wir immer wieder festgestellt, dass nicht nur bildungsbürgerliche Eltern, sondern auch Eltern, die sich mit der deutschen Sprache schwertun, sehr daran interessiert sind, dass ihre Kinder hier weiterhin eine gute Schulbildung bekommen“, berichtet Maria Reimann. Die Fragen sind die gleichen: Wird mein Kind gefördert und ist es sicher in der Schule? Wird es von freundlichen und nicht ständig wechselnden Lehrerpersönlichkeiten unterrichtet, die es stärken und zur Selbstständigkeit erziehen?

Es geht um gemeinsame Ziele

Schnell wurde klar, dass es auch bei der Wertevermittlung gemeinsame Nenner gibt, auf die sich Christen und Muslime einigen und deshalb, wie auch schon in der Vergangenheit praktiziert, ihre Feste im Schulalltag gemeinsam feiern können. Auch die Tatsache, dass man an der Katholischen Grundschule bisher jahrgangsübergreifend und an der Evangelischen Grundschule jahrgangsbezogen lehrt und lernt, war kein großes Hindernis. Im neuen Leitbild werden die Eingangsklassen 1 und 2 jahrgangsübergreifend und die Klassen 3 und 4 jahrgangsdifferenziert. „Das macht auch pädagogisch Sinn, weil die Leistungsunterschiede in der Schuleingangsphase besonders groß sind, und leistungsstarke Schulanfänger eher die Chance haben mit älteren Kindern zusammenzuarbeiten, während leistungsschwächere die Chance bekommen, mit den Jüngeren länger zu lernen und am Ende doch ans gleiche Ziel zu kommen“, findet Glunz. Die in der Katholischen Grundschule bewährten Klassenräte, in denen Kinder loben und kritisieren, was gut oder schlecht gelaufen ist, um dann nach Lösungen zu suchen, werden ebenso in der Gemeinschaftsschule flächendeckend praktiziert, wie das in der Evangelischen Grundschule bewährte Einschulungsspiel, dass Erzählfähigkeit, Zahlenverständnis und Beweglichkeit der Kinder testet.

„Wir haben uns gemeinsam auf den Weg gemacht und begriffen, dass gemeinsames Lernen gelingen kann, wenn sich alle in ihrer Unterschiedlichkeit wertgeschätzt und gut aufgehoben fühlen“, bilanziert Vera Glunz. Und Maria Reimann glaubt, „dass wir nicht nur von den Eltern, sondern auch von den vielen Styrumern, die sich für ihren Stadtteil engagieren, vor allem deshalb volle Rückendeckung bekommen, weil man hier daran gewöhnt ist, vor großen Herausforderungen zu stehen und sich auf Neues einlassen zu müssen und deshalb auch mal bereit ist, quer zu denken.“ Schuldezernent Ulrich Ernst bescheinigt dem Schulfusionsprozess „mustergültig zu laufen, weil alle den Prozess konstruktiv begleitet haben und niemand auf die Barrikaden gegangen ist, um seine konfessionelle Grundschule zu behalten.“