Mülheim. . Moritz Velten ist 20 Jahre alt und schwerbehindert. Nach vielen erfolglosen Bewerbungen holte er als Jahrgangsbester den Realschulabschluss nach. Am 1. September tritt er seine neue Ausbildungsstelle als Kaufmann für Bürokommunikation an.
Das Leben ist ein Hürdenlauf. Das hat Moritz Velten schon früh gemerkt. „Ich bin seit meiner Geburt schwerbehindert“, sagt der heute 20-Jährige ohne jede Bitterkeit. Dabei hätte er allen Grund dazu. Denn mit einer Seh- und Gehbehinderung und einer leichten Form von Autismus, dem sogenannten Asperger Syndrom, hat Moritz gleich drei Handicaps mit auf seinen Lebensweg bekommen.
Doch er lächelt und wirkt zuversichtlich. „Moritz ist ein echtes Stehaufmännchen“, sagt Günter Hümbs. Der Berater der Agentur für Arbeit kümmert sich um die Vermittlung von jungen Menschen mit Handicap. Er hat Moritz seit seinem letzten Schuljahr in einer Förderschule für Körperbehinderte begleitet. „Junge Leute mit Handicap können etwas leisten, aber sie brauchen einfach etwas mehr Zeit“, bringt er seine Erfahrung auf den Punkt.
Moritz’ Erfahrung war die, dass er nach seinem Hauptschulabschluss an der Förderschule, „sich blöd fühlte, weil mich keiner wollte.“ Auf jeden Fall kassierte er jede Menge Absagen. Deshalb entschloss er sich, an der Volkshochschule seinen Realschulabschluss nachzuholen. Dort fühlte er sich endlich voll akzeptiert und integriert und nicht mehr abgestempelt. Deshalb begrüßt er auch, dass Schüler mit und ohne Handicap im Zuge der Inklusion künftig gemeinsam an Regelschulen unterrichtet werden sollen. Bei ihm stellte sich der Erfolg im gemeinsamen Unterricht auf jeden Fall ein.
Jahrgangsbester an der Realschule
Der junge Mann mit den drei Handicaps, der drei Fremdsprachen (Englisch, Niederländisch und Türkisch spricht) bekam das beste Zeugnis seines Jahrgangs. So in seinem Selbstbewusstsein gestärkt, überstand er auch zwei erfolglose Bewerbungen bei der Deutschen Bahn und der Stadtverwaltung. Immerhin kam er diesmal bis zum Einstellungstest und ins Vorstellungsgespräch.
Und dann klappte es sogar mit einem Ausbildungsplatz in einem Mülheimer Call-Center. Doch dort machte ihm sein Asperger Syndrom einen Strich durch die Rechnung. „Ich habe einfach Probleme, mich spontan in die Gefühle anderer Menschen hineinzuversetzen“, weiß Moritz. Nicht nur Moritz war traurig, als er die sechsmonatige Probezeit im Dialog-Marketing nicht überstand, obwohl er sich mit seinen Kollegen dort gut verstand.
„Er war am Boden zerstört. Und mir war klar. Da muss man helfen“, erinnert sich der Geschäftsführer des Mülheimer Media-Marktes, Franz Grutscha, an die Gespräche, die er mit seinem Logistikleiter Norbert Velten über die Schwierigkeiten seines Sohnes führte. „Ich habe hier meistens Abiturienten eingestellt“, sagt Grutscha. Er habe sich „da noch nie ran getraut“, gibt er zu, wenn er nach den Einstellungschancen von jungen Menschen mit Förderbedarf und Handicap gefragt wird. Doch die Not seines Mitarbeiters und die Gespräche mit Agentur-Berater Hümbs (siehe Kasten) ließen bei ihm und seinen Kollegen den Mut wachsen.
Vom Praktikum zur Ausbildungsstelle
Nach einem erfolglosen Probelauf im Verkauf, bei dem Moritz wieder einmal seine durch den Autismus verursachten Kontaktschwierigkeiten im Weg standen, bewährte er sich ausgerechnet im Verantwortungsbereich seines Vaters, als Praktikant im Lager des Media-Marktes. Dort hat er keinen unmittelbaren Kundenkontakt, sondern kontrolliert am Computerbildschirm und zusammen mit Kollegen des Kundendienstes Warenein- und Ausgänge.
Mit einem Kurs bei der VHS brachte er sich auch computertechnisch auf den neuesten Stand. „Ich habe hier sehr nette Kollegen“, freut sich Moritz Velten. Am 1. September wird der Praktikant zum Auszubildenden. Und wenn alles gut geht, wird er in drei Jahren seine Ausbildung als Kaufmann für Bürokommunikation erfolgreich abschließen.
„Das wird eine Herausforderung“, gibt Media-Markt-Geschäftsführer Grutscha zu, wenn er daran denkt, dass der Vater zum unmittelbaren Vorgesetzten des Sohnes wird. Doch nach den bisherigen Erfahrungen mit Velten und Velten hat er volles Vertrauen darin, dass das Experiment gelingen wird und Moritz nach einer erfolgreichen Ausbildung beim Media Markt übernommen werden könnte. Norbert und Moritz Velten lassen keinen Zweifel daran: „Zuhause ist Zuhause. Und die Firma ist die Firma.“ Und deshalb wird Velten Senior als Chef von Velten junior im Ernstfall auch vor „klaren Ansagen“ nicht zurückschrecken.