Mülheim. Nach einem Skandal um belastete Babymilch in China kaufen in Mülheim seit geraumer Zeit Händler und Privatpersonen die Bestände von Baby-Milchpulver auf, um die Vorräte nach China zu schicken. Dadurch kommt es zu extremen Engpässen, was vor Ort lebende Eltern erbost.

Leer gefegte Regale, rationierte Vergabe von Milchpulver, verzweifelte Mütter – was hier beschrieben wird, ist keine Szene aus einem Krisengebiet, sondern spielt sich in Mülheim ab. Der Hintergrund: Es gibt Engpässe bei der Babymilch. Die wird bereits seit Monaten im großen Stil von Chinesen aufgekauft.

Im DM-Markt auf der Schloßstraße hängt an den Regalen mit Babymilch der Hinweis, dass pro Woche und Kunde nur zwei Packungen verkauft werden. Mehr geht nicht. Eine Verkäuferin beschreibt die Situation: „Es ist extrem. Auch heute kommen noch chinesische Mitbürger und versuchen, mehr Packungen als erlaubt zu kaufen.“ Die deutschen Mütter seien „teilweise stinksauer“. „Die Menschen kommen von überall her, um die Milch zu bekommen, wir hatten sogar schon Nachfragen aus Köln“, so die Verkäuferin.

In den Mülheimer Kindertagesstätten und auf der Säuglingsstation des Evangelischen Krankenhauses ist die Lage dagegen entspannt. „Wir haben noch einen großen Vorrat, der geht so schnell nicht aus“, so EKM-Sprecherin Sabrina Bungert.

Engpässe bereits seit 2012

Stefan Stohl, Pressesprecher der Firma Milupa, die Babymilchsorten wie Pre Aptamil und Pre Milumil herstellt, erklärt die außergewöhnliche Situation: „Es gibt zurzeit große Verunsicherung in China darüber, ob die Babymilch dort belastet sein könnte.“ Damit meint Stohl den Skandal um mit der Industriechemikalie Melamin verseuchte Milch im Jahr 2008. Begonnen haben die Engpässe 2012. „Im Januar und Februar wurde es gravierender und den Höhepunkt gab es im März.“ Damals seien die Produkte palettenweise aus den Drogerien geschafft worden, mehr als 3000 Anrufe von verzweifelten Eltern gingen pro Woche im Unternehmen ein. Doch nicht nur die meldeten sich. Stefan Stohl: „Im vergangenen halben Jahr gab es rund 1000 Anfragen aus China, ob wir nicht exportieren wollen.“ Doch diesen Kurs will das Unternehmen bislang nicht einschlagen, obwohl „es offenbar ein Riesenmarkt ist“. Dafür gibt es mehrere Gründe: „Zum einen haben wir dort eine Schwesterfirma, der wir keine Konkurrenz machen wollen.“ Zum anderen hätten die Chinesen andere gesetzliche Vorgaben, was eine Änderung der Rezeptur voraussetzen würde.

„Außerdem wissen wir nicht, wie die Milch sich dort verkaufen würde. Schließlich hätte sie dann auch chinesische Etiketten und keine deutschen. Wäre also von der dortigen Milch nicht zu unterscheiden.“ Gekauft wird das begehrte Trockenmilchpulver von Menschen jeglicher Couleur: „Da sind ganz normale Eltern, oder Studenten, die ein Kleinstgewerbe betreiben, bis hin zu Exporteuren, die die Milch im großen Stil verkaufen.“ Stohl erinnert sich: „Es gab eine Anfrage, da wollte ein Händler alle Aptamil-Vorräte aufkaufen, obwohl er nach eigenen Angaben bereits 100 000 hatte. Wir exportieren ja nicht nach Asien, ich frage mich, wie er da rangekommen ist...“

Produktion wurde hochgefahren

Mittlerweile hat sich die Situation ein bisschen beruhigt, auch weil die Produktion hochgefahren wurde. „Unser Werk in Fulda arbeitet jetzt 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr“, so Stohl. Die Entscheidung des Einzelhandels, die Vergabe zu rationieren, begrüßt Stohl, sagt aber auch: „Das kann noch nicht die finale Lösung sein.“

Dass die deutschen Eltern über die Engpässe erbost sind, ist dem Sprecher durchaus bewusst. „Leider dauert es Wochen bis so ein Werk mit voller Kapazität produzieren kann.“ Er versichert: „Zurzeit sind alle Abteilungen damit beschäftigt, dieses Engpass-Problem in den Griff zu bekommen.“