Mülheim.
Ursula Vehar hat sich einen Wunsch erfüllt, von dem wohl alle Künstler träumen – eine Ausstellungsfläche, so weit das Auge reicht. Auf über 300 qm zeigt die Malerin größtenteils neue Arbeiten aus den letzten Jahren, aber auch einige ältere sind dabei. Nachdem die Telekom aus dem Gebäude am Heifeskamp 22 zwischen Lidl und Jaques Weindepot im Herbst 2012 ausgezogen ist, hat Vehar den modernen Bürotrakt in der ersten Etage für ihre Kunst entdeckt. So lange, bis die Immobilie, die der Firma Vehar gehört, wieder vermietet ist. „Ich hoffe, ich kann noch ein bisschen bleiben“, sagt die Künstlerin. Der helle, lichte und großzügige Flur sowie ein riesiger Raum als Herzstück könnten glatt mit einer Galerie standhalten.
Im häuslichen Atelier war der Platz eng geworden, an Präsentation war dort gar nicht zu denken. 100 Bilder, darunter viele großformatige, hängen jetzt am Heifeskamp, bekommen den Freiraum, den sie zu ihrer ganzen Entfaltung brauchen. Und dieser Bilderbogen erzählt viel über die künstlerische Entwicklung von Ursula Vehar, die sich peu á peu von der Abstraktion bis ins Figürliche, ja fast schon ins Realistische vollzog. Während sie früher auf opulente Farbigkeit setzte, ist diese jetzt stark reduziert und fein nuanciert.
Bewegt vom Schicksal von „Pussy Riot“
Aber es ist vor allen Dingen die exquisite Komposition von Figuren, Formen, Farben und Ausdruck, es ist diese ganze geheimnisvolle Szenerie, die den Betrachter förmlich ins Bild hineinzieht. Eine moderne Gretel steht in kurzen Hosen und langen Beinen mit dem Handy in einer Art Schneetreiben, aber was da vom Himmel fällt, könnte alles mögliche sein. Das Schicksal der russischen Frauenband „Pussy Riot“ hat Vehar bewegt und sie hat ihre Geschichte mit der Scheinheiligkeit der Kirche und Russlands Glorie verknüpft. Es ist keine Kunst mit erhobenem Zeigefinger, nichts Zynisches ist dabei, sondern ein zutiefst nachdenklicher, manchmal trauriger Blick auf die Welt mit all ihren Katastrophen, Grausamkeiten und der Gedankenlosigkeit menschlichen Tuns.
Wie in der aktuellen Serie „Bambi“. Ein Bild wie aus dem Heimatfilm „Heidi“ zeigt ein kleines Reh, das schon ein Todeszeichen auf dem Rücken trägt. Auf einem anderen füttert eine Dame im Ozelot-Mantel ein Reh aus dem Auto heraus, unten sind schon die Schlachthaken zu sehen. Nicht alle Arbeiten sind so eindeutig, die meisten geben Rätsel auf, die es anhand des Titels zu lösen gilt. In „Flucht“ steht ein verstörtes Mädchen übergroß vor einem zerstörten Haus. Darin setzt sich Ursula Vehar mit ihren Kriegs-Erinnerungen auseinander. Auch dadurch wird klar, warum sich für sie das Abstrakte erschöpft hat. „Ich wollte wieder Geschichten erzählen.“