Mülheim und die Majestäten

Mülheim.

Der letzte deutsche Monarch hieß Kaiser Wilhelm II.; er dankte 1918 ab und floh ins niederländische Asyl. Die Sehnsucht nach der Fortsetzung einer royalen Geschichte ist nicht groß in Deutschland, das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Danach wünscht sich nur jeder Fünfte hierzulande einen König oder eine Königin.

Anders schaut’s aus in den Niederlanden, wo die Bevölkerung hinter ihrem Königshaus steht. Und somit heute einen besonderen Tag erlebt: Königin Beatrix dankt ab und ihr Sohn besteigt den Thron. Nun heißt es nicht mehr Kronprinz Willem-Alexander und Prinzessin Máxima: Ab heute regieren Seine Majestät König Willem-Alexander und Ihre Majestät Königin Máxima.

Den Blick gen Amsterdam gerichtet

Die WAZ hat sich auf die Suche gemacht nach Holländern in der Stadt und wollte wissen, was diese vom Thronwechsel halten. Gefunden haben wir einen Niederländer, der mal mit Willem-Alexander geplauscht und eigens für heute ein Königsmenü entworfen hat. Und einen Deutschen, der sein Herz an eine Holländerin verloren hat und mitmischt bei den Feierlichkeiten jenseits der Grenze. Auch andere Mülheimer schauen heute gen Amsterdam. Für die meisten von ihnen ist Willem-Alexander ein Gewinn: „Wenn er’s nicht schafft, dann schafft’s keiner“, sagt etwa Bert Groot Baltink.

„Ich habe großen Respekt vor dem Schritt, den Beatrix heute geht“, sagt Irene Pepinghege, die vor 71 Jahren in Zaandam zur Welt gekommen ist. Dass die Monarchin abdankt, beeindruckt die gebürtige Holländerin. „Sie hat gesagt, ,jetzt sind andere Zeiten da, jetzt muss jemand anderes ran’.“ Willem-Alexander ist dafür der Richtige? Ja, sagt Pepinghege: „Der war zwar früher wild, aber ich bin sicher, dass er die Sache gut macht.“

Seit 1962 ist Pepinghege in Deutschland zu Hause, und für die neue Heimat auch als Kanutin an den Start gegangen. Sie gewann Silbermedaillen bei Weltmeisterschaften, nahm an drei olympischen Spielen teil und war mehrfach deutsche Meisterin. Ihre Leidenschaft und ihr Wissen vermittelt sie im Mülheimer Kanusportverein. Und in Holland, wo sie bis vor kurzem das Junioren-Nationalteam trainiert hat. „Dort wird morgen alles Kopf stehen“, glaubt sie, „es gibt ja so viele Königstreue.“ Pepinghege selbst bleibt daheim in Menden, wird vielleicht fernsehen: „Es ist ein schönes Ereignis – so wie andere Krönungen auch.“

Nach 100 Jahren der erste König

Ein neuer König in Holland? „Das ist sehr gut“, sagt Bert Groot Baltink. „Ich liebe alle Königinnen – und trotzdem ist es wunderbar, dass es nach 100 Jahren mal wieder ein Mann ist. Ich habe alles Vertrauen der Welt in ihn. Wenn er’s nicht schafft, dann schafft’s keiner.“

Der Niederländer (51) feiert heute ein Freudenfest, und zwar mitten in Saarn, in seinem royal geschmückten Imbiss „Der Holländer“ an der Quellenstraße. Er serviert ein Königsmenü: „Seezunge mit lecker Salzkartöffelchen und Gemüse – und das zu einem Königspreis“, also hübsch günstig.

Groot Baltink ist einer der wenigen, die von sich behaupten können, schon mal mit dem neuen König geplaudert zu haben: „Ich habe ihn zufällig auf einer Straße in Amsterdam getroffen und einfach angesprochen. Er ist ein unglaublich netter Mensch, der eine ganz normale Jugend- und Studentenzeit hatte.“ Und später in Máxima die große Liebe gefunden hat – so wie Groot Baltink in seiner Gudrun, einer waschechten Mülheimerin. „Die Liebe hat mich nach Deutschland geführt. . .“

Mit dem Thronwechsel lässt sich Geld verdienen

Markus Ahrens (45) ist von Haus aus Deutscher, sein Herz aber hat er an die Niederlande verloren. Verwandte leben in dem Nachbarland; vor 20 Jahren hat er deshalb mit VHS-Kursen begonnen, mittlerweile ist Holländisch fast eine zweite Muttersprache für ihn. Da ist es ein Leichtes, niederländische Reisegruppen durch Mülheim und andere Orte zu führen. Hinzu kommt, dass sein Herz seit einem Jahr deutlich lauter pocht, wenn er die Landesgrenze überschreitet: Der Grund heißt Nina und lebt in Arnheim. Sie ist seine Máxima.

Ahrens, Mitarbeiter der Mülheimer Wohnungsbaugesellschaft SWB, „mag die lockere Lebensart“ der Nachbarn. Die Oranier seien ihrem Volk traditionell verbunden und die Volksnähe werde nun noch weiter wachsen, erwartet er. Dass der König und er im gleichen Jahr geboren wurden, auch das verbindet. Und so mischt der 45-Jährige heute fröhlich mit bei den Feierlichkeiten jenseits der Grenze: Freundin Nina ist Lehrerin, „und an der Schule gibt’s eine Königsfeier mit Trödelmarkt“.

Interesse für royale Briefmarken und Münzen

Klaus Gebhard (54) interessiert das royale Geschehen in den Niederlanden (und anderswo) nur beruflich: „Spannend wird es für mich erst dann, wenn es Briefmarken oder Münzen zu einem Thema gibt“, sagt er. Er lese keine „Yellow Press“, also keine Klatsch-Zeitschriften – „und mich interessiert auch nicht, wer wo König ist“. Der 30. April 2013 lässt den Briefmarken- und Münzhändler, der sein Geschäft seit 1996 an der Bachstraße betreibt, also kalt.

Obwohl: Es lässt sich auch Geld verdienen mit dem Thronwechsel, und zwar mit der 2-Euro-Sondermünze, die die Konterfeis von Beatrix und Willem-Alexander zeigt (siehe oben). Gebhard schätzt, dass er „10 bis 20“ dieser Münzen an Sammler verkaufen wird, zum Preis von 5,50 Euro. Einen Hype werde es darum aber sicher nicht geben. Der 54-Jährige hat auch alte Guldenstücke vorrätig, mit den Abbildungen früherer Könige. Euro-Sondermünzen gibt es übrigens zu allen möglichen Anlässen, erklärt Gebhard. „Wenn ich das alles feiern wollte, hätte ich viel zu tun. . .“