Mülheim. .
Im Berufungsverfahren um die Leiharbeitspraxis bei Salzgitter-Mannesmann Grobblech (SMGB) kündigt sich vor dem Landesarbeitsgericht eine empfindliche Schlappe für den stahlverarbeitenden Großbetrieb aus Mülheim an.
Das Landesarbeitsgericht signalisierte am Freitag, dass es der konzerneigenen Entleihfirma nicht durchlassen gehen wird, dass sich bei ihren Leiharbeitnehmern ohne triftigen Grund über zig Jahre ein befristeter Arbeitsvertrag an den nächsten anschließt. Die ausufernde Praxis bei der Mannesmannröhren-Werke Qualifizierungsgesellschaft (so heißt die konzerneigene Entleihfirma für die SMGB) könnte betroffenen Mitarbeitern laut Richter wohl den Anspruch auf eine Festanstellung verschafft haben.
Leiharbeitnehmer gingen in Berufung
In Berufung gegangen waren zwei ehemalige Leiharbeitnehmer, deren letzte befristete Verträge die Entleihfirma im Frühjahr 2012 hatte auslaufen lassen. Ein Arbeitnehmer kam bis dato, seit seiner ersten Anstellung im Dezember 2004, auf eine Verkettung von sage und schreibe elf befristeten Arbeitsverträgen. Der andere seit Januar 2005 auf zehn Befristungen.
Dass es diese Kettenverträge und die extreme Ausdehnung der Leiharbeit überhaupt gab und gibt, haben Betriebsrat und IG Metall mitzuverantworten. Sie hatten 2005 einen entsprechenden Haustarifvertrag mit der Qualifizierungsgesellschaft ausgehandelt. Damit billigten sie im Rahmen der Tarifautonomie die Aushebelung der gesetzlichen Regel, dass befristete Verträge maximal zwei Jahre dauern und dreimal verlängert werden dürfen.
Tarifvertraf erlaubt Serien-Befristungen
In aktueller Fassung erlaubt der Tarifvertrag gar Serien-Befristungen bis Ende 2017. Der Richter am Landesarbeitsgericht drückte sein Unverständnis für das Entgegenkommen aus: Im Falle der zwei Kläger, so rechnete er der Beklagtenseite zusammen, hätte dies bedeutet, dass sie ein Drittel ihres Arbeitslebens in befristeter Leiharbeit ohne Kündigungsschutz festgesteckt hätten.
Dies, so der Richter mit Verweis auf die jüngere Rechtsprechung am Bundesarbeitsgericht, könne nicht im Sinne des Gesetzes sein, das zum Ziel habe, die Möglichkeit von Ketten-Befristungen einzuschränken. Ohne stichhaltige Sachgründe schon gar nicht. Die Argumentation der SMGB, die Befristungspraxis bei Leiharbeitnehmern sei mit den „konjunkturellen Schwankungen“ zu begründen, denen der Konzern ausgesetzt ist, konnte der Richter im vorliegenden Fall jedenfalls nicht nachvollziehen. Leiharbeitnehmer 13 Jahre mit Kettenverträgen an sich zu binden, spreche wohl nicht dafür, mit dem Instrument von Befristungen lediglich Auftragsspitzen abdecken zu wollen.
Sachgründe sollten nachgereicht werden
Der Hinweis der SMGB-Rechtsanwälte, der Haustarifvertrag habe an die Befristungen ja auch die Zusage gekoppelt, peu à peu Leihkräfte fest bei SMGB einzustellen, reichte dem Gericht nicht aus. Es forderte SMGB auf, Sachgründe nachzureichen, wies aber schon die Richtung für den Fortgang des Verfahrens: Die SMGB könne sich doch Ärger ersparen, wenn sie den zwei Klägern einen der zugesagten unbefristeten Arbeitsverträge anböte . . .
Kläger-Anwalt sieht Teilerfolg
„Das ist schon ein Teilerfolg“, wertete Kläger-Anwalt Frank Stierlin von der Kanzlei Meister & Partner den Auftakt des Berufungsverfahrens. Er sieht nun gute Chancen, dass seinen zwei Mandanten ein Anspruch auf unbefristete Arbeitsplätze zugesprochen wird – allerdings nicht, wie gewünscht, direkt bei SMGB, sondern bei der Entleihfirma des Konzerns.
Ob diese überhaupt anderweitige Arbeitsplätze für die Kläger als die bei der SMGB hätte, konnte am Freitag nicht geklärt werden. Mitglieder des Betriebsrates äußerten, der Entleihbetrieb wirke ausschließlich für SMGB. Dessen Personalmanager Ulrich Scholten widersprach. Das sei zwar überwiegend so, Leiharbeiter würden aber auch an andere Gesellschaften vermittelt.
Scholten sieht Berufung noch nicht verloren
Scholten sieht die Berufung im Übrigen noch nicht verloren. Gegenüber der WAZ sagte er, das Unternehmen wolle dem Gericht nun verdeutlichen, dass „konjunkturelle Schwankungen“ sehr wohl als Sachgrund für die Kettenverträge anzusehen seien. Auch wolle man klar Stellung beziehen zum Sinn und Zweck des Haustarifvertrags, der mit der IG Metall ausgehandelt ist.
Dieser regele schließlich auch die feste Übernahme von Leiharbeitnehmern bei der SMGB nach festgelegter Quote. So hätten in der Vergangenheit schon mehr als 70 Leiharbeitskräfte unbefristete Verträge bei SMGB erhalten.
Sein Unternehmen habe damit die Übernahmequote aus dem Tarifvertrag gar „übererfüllt“. Außerdem habe das Tarifwerk frühzeitig die fast vollständige Gleichbehandlung von Leih- und Stammarbeitskräften fixiert. Ausnahme nur: der Kündigungsschutz.