Mülheim.
Das Gebäude ist renoviert, das Innenleben im Aufbau: Im Dezember wurde die Außenwohngruppe für Jungen eröffnet, die das Raphaelhaus in einem früheren Pfarrheim auf der Heimaterde eingerichtet hat. Momentan werden hier drei größere Kinder und ein Jugendlicher von vier Profis betreut – rund um die Uhr. Martina Schwittay (32), Diplom-Sozialpädagogin und Sozialarbeiterin, leitet die Gruppe.
Vier Jungs zwischen zehn und 15, die intensive pädagogische Betreuung brauchen: Klingt nach einer anstrengenden Arbeit. . .
Martina Schwittay: Für mich nicht, auch wenn sich Victor (Name geändert) vorhin bei unserer Begrüßung wie ein Äffchen auf meinen Rücken klammerte, was er gerne tut: Dafür habe ich gekämpft, dass die Jungs von mir etwas nehmen und profitieren können. Ich bin hier kein Ausstellungsstück.
Gibt es Dinge, die nicht so gut laufen? Die Sie manchmal an Ihrer Arbeit zweifeln lassen?
Schwittay: Nein. Ich arbeite hier das erste Mal als Gruppenleiterin, bin anfangs nur stolz und lachend durch das Haus gelaufen. Danach kam eine Phase voll Angst und Sorge, in der mir die große Verantwortung bewusst wurde, für die Jungs, gegenüber Schulen und Jugendamt.
Und wo stehen Sie jetzt?
Schwittay: Mittlerweile läuft die Wohngruppe seit dreieinhalb Monaten, wir haben uns erprobt und bewährt. Die Jungs wurden zeitgleich aufgenommen, das Team kannte sich nicht: Eine größere Herausforderung kann es gar nicht geben!
Erfolgserlebnisse in Ihrem Beruf: Wie sehen die aus?
Schwittay: Victor zum Beispiel hat anfangs wenig gesprochen, viel körperlich agiert, geschlagen, blockiert. Er wirkte sehr autark und auf sich selbst gestellt. Als wir einmal Schlittschuhlaufen waren, hat er sich nur an der Bande festgehalten, keine der ausgestreckten Hände ergriffen. Er hat sich jetzt aber in relativ kurzer Zeit sehr eingelassen und geöffnet. Auch bei anderen Jungs sehe ich die Bereitschaft, neue Wege auszuprobieren.
Warum haben Sie Soziale Arbeit zu Ihrem Beruf gemacht?
Schwittay: Angefangen hat es eher zufällig: Ich habe neben der Schule, als Job, einen Jungen mit Down-Syndrom betreut und damals schon gemerkt: Ich kann gut mit Kindern, das ist mein Ding. Ich bin aber als Sozialpädagogin nicht so weit gefächert und offen für alles, sondern festgelegt auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Raphaelhaus
Braucht man einen Ausgleich?
Schwittay: Unbedingt. Ich versuche, drei Mal in der Woche reiten zu gehen.
Kann man diese Arbeit auch mit 60 oder 65 noch machen?
Schwittay: Ja. Aber ich persönlich bin ehrgeizig und möchte Karriere machen, mich weiterbilden, so kompetent sein wie möglich. Im Moment bin ich hier wirklich glücklich, aber in einigen Jahren, denke ich, muss etwas Neues kommen.
Ihr Dienst beginnt mittags, geht manchmal über Nacht. Lassen sich diese Arbeitszeiten mit einer eigenen Familie vereinbaren?
Schwittay: Ich glaube, das geht, und viele meiner Kollegen haben auch Kinder. Man muss sich komplett umstrukturieren, hat aber beispielsweise nach einem Nachtdienst den ganzen Tag Zeit. Für Frauen ist das natürlich immer schwieriger zu vereinbaren als für Männer.
Warum eigentlich?
Schwittay: Weil die Männer eine Frau zu Hause haben, die sich kümmert.
Wie wichtig ist ihr Kontakt zu den Familien der Jungs?
Schwittay: Sehr wichtig. Ohne die Eltern im Boot zu haben, kann man in der Jugendhilfe nichts bewegen. Wir wollen einen positiven, wertschätzenden, aber auch klaren, nichts beschönigenden Umgang pflegen.