Mülheim-Broich/Selbeck.

„Neu!“, heißt das Stück, und ist es auch. In der 18. ­Inszenierung des Theaters im Dorf, wie immer mit kurzem, einprägsamen Titel, zeigt das integrative Theaterkollektiv der Theodor-Fliedner-Stiftung, was alles so nach der Apokalypse, dem Weltuntergang, geschehen kann.
„Die Welt ist untergegangen, und wir waren dabei“, sagt Bernd Kentsch, der den Holzfäller Johnny Jack und gleichzeitig auch den Kapitän des „Überlebenswracks“ spielt. „Es gibt nur noch Moos zu essen, wir müssen es besser machen als die Menschen vorher und stellen deshalb Regeln auf.“ Die Überlebenden dürfen kein Feuer machen, beziehungsweise wenn, dann nur gut bewacht, kommt ein rascher Einwand.
Auch sollen keine Tiere getötet, kein Müll weggeworfen oder nicht überall hingepinkelt werden. Schwester Eva, verkörpert durch Margrit Brückner, hat als einzige Ärztin überlebt. Sie heilt den Koch Augustin, gespielt von Rolf Lemanczik, mit einem Kuss. Erst ekelt er sich etwas, aber „die Liebe ist in den Stücken des in­tegrativen Theaters nie weit entfernt“, lächelt Jan Kempken.

Nach und nach bevölkert sich die Insel, die Seenixe alias Wolfgang Ockenfels wird von den Bewohnern aus dem Meer gezogen, mit dem letzten Trinkwasser sauber gewaschen. „Ich wurde gejagt von Robbenjägern und weiß überhaupt nichts, weiß nicht ob ich Mensch oder Fisch bin. Auf alle Fälle bin ich ölverschmiert und stinkend, das Meer ist ja auch voller Plastik und schmutzig.“ Die kleine Gruppe stößt in der neuen Welt auf viele Dilemmas

Filme und eindrucksvolle Schauspiel-Sequenzen wechseln sich ab, untermalt von klassischer Musik von Johann Sebastian Bach.

Selbstbewusststein wird gesteigert

„Es ist eine Tragikomödie“, erklärt Jan Kempken, als Regieassistent seit Jahren mit von der Partie. Die Mülheimerin Lidy Mouw geht ins Detail: „Es ist ein skizzenhaftes Stück, in dem die Skizzen manchmal umschraffiert werden. Die Gruppe ist rege und improvisationsfreudig. Das eine oder andere geht eben seinen eigenen Weg. Wir halten den Faden, aber es ist auch nicht schlimm, wenn mal eine Schleife gezogen wird.“

Jan Kempken macht die Arbeit mit den erfahrenen Schauspielern, die zumeist mit körperlichen, psychischen oder geistigen Einschränkungen leben, sehr viel Freude. „Die Arbeit ist anstrengend, aber das, was man bekommt, ist mit Geld nicht zu bezahlen. Man tankt Glücksmomente!“

Auch interessant

Mit den Schauspielern passiere während der Arbeit unheimlich viel, sie bekämen mehr Selbstbewusstsein, würden ihrem Alltag entfliehen, erhielten neue Eindrücke. Im Bereich des integrativen Theaters ­habe man ein hohes Level erreicht, mit regelmäßigem Körper- und Stimmtraining dazu beigetragen. Das Kollektiv könne man als fast professionell bezeichnen. Einige Schauspieler, wie Alexander Lamersdorf, der im Film und auf der Bühne den Zeitgeist spielt, treten in mehreren Ensembles auf.

Wöchentliche Probe

Das Theater probt schon lange, einmal wöchentlich treffen sie sich, haben einige fünftägige Blockproben hinter sich. „Die Spieleinfälle des Kollektivs sind wirklich großartig, die Proben sind geprägt durch einen anderen Rhythmus. Ich arbeite sehr gerne mit dem Kollektiv. Man versucht, Bilder zu zeigen, die Raum für Interpretationen geben.“, lacht Lidy Mouw.

Mittlerweile ist die Aufregung groß. Die Akteure freuen sich auf die Premiere, fragen, ob man auch ganz bestimmt komme. Die Zuschauer erwartet sicherlich eine spannende, atmosphärisch dichte Aufführung.