Mülheim. .
Die Grundsteuer für Immobilienbesitzer steigt, das wird auch viele Mieter belasten. Die Unternehmen werden noch ein Jahr geschont, dann klettert erneut die Gewerbesteuer. Die Vergnügungssteuer wird angehoben, die Zweitwohnungssteuer eingeführt. Die angedrohten Mehrbelastungen für Sportvereine sind dagegen vom Tisch. Familien mit mehreren Kinder müssen sich erst einmal nicht auf höhere Betreuungskosten einstellen. Und die freien Träger der offenen Jugendarbeit erhalten die gewünschten höheren Personalzuschüsse. Das hat der Rat gestern Abend mit Stimmen der SPD und CDU beschlossen und damit den Haushalt 2013. Die anderen Fraktionen lehnten dies ab.
Es war ein ausgehandelter Kompromiss von SPD und CDU in letzter Minute. „Uns ging es darum, die Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit der Kommune zu erhalten“, betonte SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering. Ob der Haushalt von der Aufsichtsbehörde genehmigt wird, ist offen. Durch die Beschlüsse von SPD und CDU werden in 2013 drei Millionen Euro weniger in der städtischen Kasse fehlen, der Entwurf des Kämmerers hätte noch fünf Millionen mehr gebracht. Unterm Strich fehlen im nächsten Jahr erneut fast 100 Millionen, um die Ausgaben von 670 Mio. decken zu können.
Eine Menge Frust bei diesen Zahlen
„Bei diesen Zahlen kommt eine Menge Frust auf“, beklagt Wolfgang Michels, CDU-Fraktionschef und verweist darauf, dass Mülheim alles zusammengerechnet inzwischen ein Minus von 1,2 Milliarden in den Büchern stehen hat. Mit „Rechentricks“ versuche die Stadt, sich über Wasser zu halten. Wie lange geht das noch gut, fragen sich viele im Rat.
Bis zuletzt wehrte sich die FDP gegen Steuererhöhungen als Ausweg und forderte echtes Sparen. Die MBI beklagten die „Verschwendung“ von Gelder für Luxusprojekte und zählen Ruhrbania dazu. Die Grünen warfen weiten Teilen des Rates, vor allem der CDU, Dilettantismus und Ideenlosigkeit beim Haushalt vor und sehen in der Verschiebung der Gewerbesteuer -Erhöhung auf 2014 einen „massiven Schaden“. Ohne Steuererhöhungen, so Tim Giesbert, komme eine notleidende Kommune wie Mülheim nicht mehr aus. Die SPD hofft auf die nächste Stufe des Stärkungspaktes und dass die Landesregierung dabei Mülheim bedenkt. Hauptursache der Schulden sind aus Sicht der SPD all die Aufgaben, die Bund und Land auf die Städte abgewälzt haben, ohne sich dort für die Finanzierung zu interessieren. Für die CDU ist aber auch vieles an dem Übel hausgemacht. Schulden würden immer weitere gemacht. Mehrmals wurde der Vergleich zu Griechenland gezogen.
Auszüge aus Reden zum Haushalt, dem nur SPD/CDU zustimmten.
Der Bissige. Die angriffslustigste Rede hielt Tim Giesbert (Grüne). Er nennt das Vorgehen von CDU und SPD, die hinter verschlossenen Türen einen Haushaltsbeschluss erarbeiteten und diesen erst kurz vor der Ratssitzung den anderen Fraktionen vorlegten, „unverschämt, überfallartig und zutiefst undemokratisch“. SPD und CDU hätten sich der offenen Diskussion entzogen. „Unser Haushalt hatte den Dreiklang Ökologie, Ökonomie und Sozialer Ausgleich“, so Giesbert, „und hätte bis 2023 rund 35, 7 Mio. eingespart, ohne soziale und kulturelle Kernstrukturen anzutasten.“
Der Stabilisierer. Der SPD, so Dieter Wiechering, gehe es darum, die Finanzlage der Stadt zu stabilisieren und sie für die Zukunft zu verbessern. „Die SPD will alles daran setzen, die Standards in der Stadt, die wir in Jahrzehnten erarbeitet und die Mülheim zu einer herausragenden Stadt in unserer Umgebung gemacht haben, zu erhalten und auch so weit wie möglich weiter zu entwickeln.“
Der Kritiker. Auch wenn die CDU dem Haushalt zustimmte, sie zeigt mit den Fingern nicht nur auf Land und Bund. „Ein wesentlich größerer Teil des Fehlbetrages ist hausgemacht“, sagt Wolfgang Michels. „Wann werden wir endlich wach?“
Der Enttäuschte. Nichts gelernt habe die Stadt aus ihren Fehlern, klagt Lothar Reinhard (MBI). Seine Forderungen: Städte wie Mülheim müssten vom Soli-Ost befreit werden, endlich wahre Städte-Kooperationen eingehen und sich von teuren Städtebauprojekten verabschieden.
Der Rechner. „Wenn das Geld nicht reicht, lässt Mülheim einfach anschreiben“, beklagt Peter Beitz (FDP). Und: Das Festhalten am defizitären Schienen-Nahverkehr erzeuge jedes Jahr 30 Mio. Euro Miese. „Dieses Geld könnte sehr gut an anderer Stelle eingesetzt werden – Kitas, Schulen, Turnhallen.“
Die Stopper: Ein Zins- und Schulden-Moratorium fordern Wir-Linke. „Die Schuldenberge müssen auf Kosten der Profiteure dieser Verschuldungspolitik abgetragen werden, also auf Kosten der Banken.“