Mülheim. .

Mobil zu sein bedeutet mehr als nur von A nach B zu kommen. Unser Leben wird schneller, offline wie online, wir sind ständig verfügbar. Wie beeinflusst das Erreichbar-Sein und Erreichen-Müssen unseren Alltag? Die WAZ greift in dieser Woche das Thema Mobilität auf und nähert sich diesem von unterschiedlichen Seiten – auf dem Rad, per Flugzeug, im Wohnmobil, der Bahn oder zu Fuß. Zum Auftakt widmen wir uns der geteilten Mobilität: dem Carsharing. Ist die Idee in Mülheim ins Rollen gekommen?

Immer mehr Menschen sparen sich das eigene Auto und nutzen die Möglichkeit des Carsharings, also das Teilen eines Autos. So funktioniert’s: Ein Anbieter stellt einen Pool aus Fahrzeugen bereit, die die Nutzer tage- oder stundenweise leihen können. Zum Einkaufen, Transportieren oder für sonstige Fahrten – je nach Bedarf. Abgerechnet wird nach Stunden und gefahrenen Kilometern, abstellen dürfen Kunden das Auto überall in der Stadt. In Mülheim ist es die Paritätische Initiative für Arbeit (PIA), die das Carsharing anbietet und betreibt. Allerdings eher defensiv als offensiv. „Leider“, wie PIA-Geschäftsführer Frank Schellberg findet. Gerne würden sie das Carsharing oder auch „Public Car“ genannt, größer vermarkten und professioneller aufziehen. Doch wie so oft hänge das an der Finanzierbarkeit des Projekts. Und der Stadt. Denn die Verwaltung muss als Hauptkunde im Boot bleiben, um das Projekt mitzustemmen. „Zurzeit stehen wir mit der Stadt in Verhandlungen – das Angebot steht auf der Kippe“, sagt Schellberg. Ob und wie es weitergeht sei offen.

Ein großes Thema

Seit 1998 betreibt die PIA das Modell, angefangen hat es mit einigen Smarts, heute steht ein Fuhrpark aus 30 Fahrzeugen bereit. „Kleinwagen, von denen zwei bis drei täglich für Privatkunden zur Verfügung stehen.“ Der Rest wird von Mitarbeitern der Stadt genutzt. Nehmen die Mülheimer das Angebot überhaupt an? „Wir haben etwa 20 Privatkunden im Monat“, gibt Schellberg an. „Es wären sicherlich mehr, wenn wir das Ganze kundenfreundlicher aufziehen würden.“ Schließlich sei Carsharing - nicht nur in Bezug auf das wachsende Umweltbewusstsein - ein großes Thema.

Carsharing sei nicht das einzige Angebot, das unter dem Motto „Mülheim-Mobil“ angeboten werde. Die Philosophie dahinter, erklärt Schellberg, sei den Menschen ein Angebot zu machen, wie sie auf das eigene Auto verzichten können und „dank einer intelligenten Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel schnell und umweltschonend an ihr Ziel kommen“. Dazu zähle auch der Heimlieferdienst, den die PIA seit 1998 anbietet. Kunden packen sich die Tüten voll und lassen sie später vom Lieferdienst abholen und nach Hause bringen. Auch die Radstation, die die PIA am Hauptbahnhof und in Styrum betreibt, laufen gut. „Die Räder sind immer ausgebucht.“

Größeres Angebot

Natürlich liege es auch im Interesse der Stadt, den Bürgern ein größeres Carsharing-Angebot zu machen, betont Klaus Beisiegel, Referent im Amt für Umwelt, Planen und Bauen. Die Zusammenarbeit mit der PIA habe bisher gut geklappt, auch wenn er Schellberg einem Punkt zustimmen muss: „Man muss das Konzept weiter ausbauen, eine neuere, bessere, wirtschaftlichere Lösung finden.“ Ob mit PIA oder ohne: Bei jungen Leuten sei der Trend rückläufig, sich ein eigenes Auto anzuschaffen. Und um noch mehr Autos von der Straße zu bringen, sei für das Ruhrgebiet auch eine städteübergreifende Lösung denkbar. „Mit anderen Städten zu kooperieren und den Bürgern ein flächendeckendes Angebot zu machen.“ So wie es bereits in Bremen gemacht wird. Dort, führt Beisiegel als Beispiel an, gebe es Carsharing sowie Radstationen an Bus- und Bahnhaltestellen. Ob das auch in einer Nothaushaltkommune wie Mülheim denkbar sei, stehe auf einem anderem Blatt. Sicher sei aber, so Beisiegel, dass „solche Modelle für die Zukunft von großer Bedeutung sind.“