Mülheim. .
Die Ratssitzungen live im Internet verfolgen – in mehreren deutschen Städten ist das schon möglich, in vielen anderen wird die Idee diskutiert. Kann man sich bald auch in Mülheim die Diskussionen über die Lärmaktionsplanungen oder die ÖPNV-Debatte live im Netz ansehen?
Das sagt die Politik
Unter Mülheims Politikern herrscht zu dem Thema ziemliche Eintracht. Alle Parteien können sich grundsätzlich Live-Übertragungen vorstellen, ganz ohne Bedenken geht’s trotzdem nicht.
„Ich hätte kein Problem damit“, betont Dieter Wiechering, der erfahrene Fraktionsvorsitzende der SPD. Er gibt aber zu: „Ich würde es mir nicht anschauen, denn so spannend ist das nicht.“ Der SPD-Mann sieht die Gefahr, dass sich manch ein Politiker als Schauspieler profilieren könnte – was ja durchaus schon vorgekommen sein soll. Videoübertragungen im Internet? Das ist ein Thema für die FDP. In liberaler Gelassenheit sieht Peter Beitz darin nur Vorteile: „Ich bin komplett dafür. Das wäre die Gelegenheit, sich ohne Hindernisse politisch zu beteiligen. Ratssitzungen sind ja sonst eher was für Spezialisten.“ Wie wäre es mit einem Antrag nach der Sommerpause? Das könne er sich vorstellen, sagt Beitz. Eine ähnliche Stimmungslage gibt’s bei den Grünen. Auch Tim Giesbert hat mit dem Rathaus-TV keine Schwierigkeiten. Im Sinne der Transparenz, sagt der Fraktionschef, wäre das sinnvoll.
An der lokalen Politik teilhaben
Transparenz! Das ist das große Stichwort der Mülheimer Politiker, wenn es um die Internet-Schalten geht. Friedel Lemke von den MBI hat zusätzliche Hoffnungen: „Vielleicht laufen dann die Sitzungen etwas disziplinierter ab. Außerdem glaube ich, dass sich Menschen direkter in Themen einbringen könnten, wenn sie selbst davon betroffen sind. Im Rat kann es ja passieren, dass der interessante Tagesordnungspunkt erst nach Mitternacht behandelt wird.“ Was bei kontroversen Punkten öfter mal passiert. Fest steht für Lemke: „Internet-Übertragungen würden die Sache für den interessierten Bürger deutlich einfacher machen.“ Vom Sofa aus ließe sich so mancher verbale Schlagabtausch betrachten. Gemütlich nach den Tagesthemen.
Eine niedrigere Hemmschwelle, um zumindest passiv an der lokalen Politik teilzuhaben, sieht Achim Fänger (WIR-Linke) als Vorteil des Rathaus-TV: „Das wäre ein i-Tüpfelchen für die Öffentlichkeit.“ Wolfgang Michels von der CDU hat dagegen Zweifel, ob sich wirklich mehr Bürger etwa für die „Entgeltordnung für die Nutzung von Räumlichkeiten und Einrichtungen der Feuerwehr durch Dritte“ interessieren würden, nur weil die entsprechenden Sitzung live im Internet übertragen wird: „Stundenlange Diskussionen zu unwichtigen Themen können sehr ermüdend sein. Die interessanten Punkte werden dann oft nur kurz behandelt.“ Oder sind längst fernab der Sitzungen zwischen den Fraktionen ausdiskutiert. Für einen Versuch ist aber auch er zu haben. „Ich finde diese Idee sympathisch.“
Das sagt die Stadt
Die technischen Voraussetzungen für die Live-Übertragungen sollten durch die neuen, modernen Räume im Rathaus gegeben sein, meint Nils Gründel. Einschränkung seinerseits: „Bisher hat das natürlich noch keiner überprüft.“ Gründel ist bei der Stadt für Internet-Angelegenheiten zuständig. Um eine Übertragung möglich zu machen, wären lediglich eine Webcam mit Tonübertragung und ein Streaming-Server nötig. Angaben zu den anfallenden Kosten kann Gründel nicht machen. Wie die Politik sieht er in der Transparenz den größten Pluspunkt: „Internet-Übertragungen machen Politik transparenter. Es fehlt natürlich die Interaktion, meist ist es für eine Einflussnahme schon zu spät.“ Anfragen von Bürgern, die sich Live-Übertragungen wünschen, habe es bisher noch nicht gegeben.
Das sagen andere Städte
Einige Städte in Deutschland bieten ihren Bürgern schon Rathaus-Übertragungen an. Dazu gehört Bonn. Auf Wunsch des Oberbürgermeisters Jürgen Nimptsch wurden die Live-Schalten in den Ratssaal im Jahr 2009 eingeführt. Die Technik hat Bonn etwa 5000 Euro gekostet, für den reibungslosen Ablauf sorgen Angestellte der Stadt. Zwischen 300 und 700 Zuschauer klicken seitdem pro Monat die Sitzungen im Netz an. Pressesprecherin Elke Palm betont aber: „Zuschauerzahlen waren nicht die Motivation, die Sache ist gedacht als ein Service für die Bürger.“ Schwerte und Kiel übertragen ihre Ratssitzungen ebenfalls live ins Internet.
Ab diesem Herbst wird das auch in Essen der Fall sein. Dort hat man sich auf die einfachste Variante geeinigt: eine Übertragung per Livestream. Ganz schön kompliziert ist eine andere Regelung: Jeder Redner muss einwilligen, ob sein Beitrag veröffentlicht werden darf – ansonsten wird die Kamera abgeschaltet. 16 500 Euro soll die günstigste Lösung einmalig kosten, plus 46 000 Euro pro Jahr, die für eine neue Stelle nötig sind.