Mülheim. . Horst Rhein wurde in der Postbank in Heißen überfallen. Eine junge Frau schubste ihn zur Seite. Zwar reagierte Horst Rhein spontan und wehrte sich, doch die Täterin biss ihm in die Brust. Am Ende verlor der Senior nicht nur 1000 Euro, sondern vor allem sein Sicherheitsgefühl.

Gelesen hatte Horst Rhein schon davon, wie Menschen nach Eingabe ihrer Pin-Zahl am Geldautomaten abgedrängt und um große Summen erleichtert wurden. Er erinnert sich, dass er damals gedacht hat: „Das passiert dir nicht. Du handelst anders, du lässt dich nicht abdrängen.“ Doch am Dienstag ist es ihm passiert: In der Postbank in Heißen schubste ihn eine junge Frau zur Seite. Zwar reagierte Horst Rhein spontan und wehrte sich, doch die Täterin biss ihm in die Brust. Am Ende verlor der Senior nicht nur 1000 Euro, sondern vor allem sein Sicherheitsgefühl.

Die Zahnabdrücke sind deutlich zu erkennen. Dunkelrot leuchten sie auf der Haut, darunter schimmert ein tiefblauer Bluterguss. Horst Rhein zeigt die Spuren des Raubes gleich vor und erzählt gerne, was geschehen ist. Wie ihm ein Pärchen vor der Post an der Hardenbergstraße auffiel. Wie er seine Geheimzahl am Automaten eingab und ihn plötzlich eine dunkelhaarige Frau um die 20 „brutal“ zur Seite schubste. Die Kraft der Frau, die mehr als einen Kopf kleiner war als er, erstaunt ihn immer noch. Und ihre Reaktion, als er sie mit den Armen umfasste, um sie festzuhalten.

„Ich habe gerufen: Hilfe! Hilfe! Überfall!“

Das war der Moment, in dem sie zubiss und Horst Rhein sie freigab. „Ich habe gerufen: Hilfe! Hilfe! Überfall!“, berichtet der 76-Jährige, aber niemand habe reagiert. Auch die Damen der Post-Filiale nicht, die nur eine Glastür entfernt im Schalterraum waren. „Ich habe später zu ihnen gesagt: ,Ich habe doch geschrien.“ Aber sie meinten, es wäre so wuselig gewesen, sie hätten nichts mitbekommen.“ Dies ist Horst Rhein am Tag danach besonders präsent: Er fühlte sich allein. „Ich verlange gar nicht, dass sich jemand körperlich einsetzt und in Gefahr bringt, aber man soll wenigstens die Polizei rufen.“

Das taten Passanten auf der Straße später. Denn Horst Rhein verfolgte die Flüchtende quer über die viel befahrene Heinrich-Lemberg-Straße. „Hilfe! Überfall! Feuer!“, rief er da, alarmierte Umstehende und Nachbarn, die die Fenster öffneten und später als Zeugen aussagten. Dass er sich mit der Verfolgung in Gefahr brachte, dämmerte dem 76-Jährigen erst später. Während es passierte, sagt Rhein, handelte er einfach: „Man steht da und hat das Gefühl, das kann nicht sein. Und dann reagiert man einfach, ohne nachzudenken.“

Mann muss 1000 Euro abgehoben haben

Das Nachdenken kam erst später. Geschlafen hat er in der Nacht nach dem Überfall kaum, stattdessen lag er stundenlang wach und dachte über das Geschehene nach. Wie die Frau plötzlich verschwand und ihm jener Mann entgegen kam, der vorher mit ihr geturtelt hatte, und der Rhein abgebrüht mitteilte: „Ihre Karte liegt am Automaten. Es ist nichts passiert.“ Dabei muss der Mann die Zeit genutzt haben, um 1000 Euro abzuheben.

Das setzt Horst Rhein aber erst in der Nacht zusammen. Tagsüber ist er viel zu beschäftigt: mit der Aussage bei der Polizei, Gesprächen mit der Versicherung, mit dem Besuch beim Arzt, der den Tetanusschutz prüft, und vor allem damit, seine Familie zu beruhigen. Denn seine Frau dachte beim Anruf der Polizei, ihr Mann sei verletzt, und versetzte ihrerseits Tochter und Sohn in Aufregung.

Auch Horst Rhein ist 24 Stunden später noch aufgewühlt und plötzlich ungewohnt unsicher. „Wenn es hinter einem raschelt, denkt man gleich, da ist was.“ Nun hat er – eigentlich „Handy-Gegner“ – ein geliehenes Mobiltelefon dabei. Künftig wird er nur die Hauptfiliale der Postbank aufsuchen, wird kein Geld am Automaten ziehen. „Ich werde noch aufmerksamer sein und so vielleicht zu viel vermuten.“ Nächste Woche fährt er in Urlaub. Dann, hofft er, schafft er es, endlich „ein wenig runterzuschalten“.