Mülheim.
Die Umstellung der Kindergärten auf die Betreuung auch unter Dreijähriger (U3) verändert vieles. Nun ist genau vorgeschrieben, wie groß die Gruppen-, Neben- und Ruheräume sein müssen, in denen die Kinder altersübergreifend betreut werden. Das bedeutet für die meisten Einrichtungen: Reduzierung der Gruppenzahl, Umbau der Räume, oft Erweiterung der Gebäude.
So benötigte auch der Evangelische Kindergarten Lindenhof an der Waldbleeke, 1964 erbaut, eine Runderneuerung. Durchgeführt wurde sie vom Mülheimer Architekturbüro Ralf Harsveldt, das aktuell mit dem Haus Kinderlust an der Otto-Pankok-Straße schon den sechsten Kindergarten für die evangelische Kirche in Mülheim plant und umbaut. Nach einem Konzept, in dem sich Architektur und Pädagogik begegnen.
Umstrukturierung ist ein Glücksfall
Jutta Figge, Architektin und Verfasserin des Entwurfs, stellte es jetzt am „Tag der Architektur“ interessierten Besuchern ausführlich vor. Obwohl bereits im Sommer 2011 eröffnet, war es für zahlreiche Nachbarn und junge Eltern eine attraktive Gelegenheit, das lichtdurchflutete Gebäude an der Waldbleeke in Augenschein zu nehmen.
Für die Planer ist die Umstrukturierung der Einrichtungen ebenso ein Glücksfall wie für die Frühpädagogen und natürlich die Kinder ab zwei Jahren. Konkret hat das für die Kita Lindenhof bedeutet: Von ehemals 75 Kindern in drei Gruppen besuchen nun 40 Kinder, aufgeteilt auf zwei Gruppen, das Familienzentrum.
Ein besonderer Ort der Kommunikation
Das knapp 400 m² große Gebäude wurde um 197 m² erweitert, es gibt jetzt einen großen Bewegungsraum und ein Atelier für Kunst- und Bastelarbeiten. Das gesamte Gebäude wurde saniert, gedämmt, man hat die Oberlichter des vorher düsteren Flurs geöffnet.
Nach einer Umbauzeit von einem Jahr, in dem der Betrieb im Gemeindehaus weiterlief, sind alle Beteiligten stolz auf ein schönes wie auch funktionales, auf kindliche Bedürfnisse eingerichtetes Haus. „Der Flur ist wie eine Kindergartenstraße angelegt“, erklärt Jutta Figge das durchlässige pädagogische Konzept, in dem die Kleinen nicht nur auf die Spielsituation in ihrer Gruppe beschränkt sind. „Die Kinder können durch große, niedrige Fenster zum Flur hin aus den Gruppenräumen das Geschehen im Flur verfolgen – ein besonderer Ort der Kommunikation.“ Ein großes Podest bietet Platz für Rollenspiele, alles wirkt hell, sonnig und freundlich.
Reggio-Pädagogik
Das moderne Farb- und Lichtkonzept trägt wesentlich dazu bei. Gelb und Flieder sind die vorherrschenden Farben. „Wir wollten helle Räume schaffen, ohne die Kinder mit grellem Licht zu verschrecken“, erklärt die Architektin (und Mutter) die farbig verkleideten Lichtröhren und durch textile Materialien gedimmte Deckenbeleuchtung. Für die unter Dreijährigen gibt es in den zwei Waschräumen Wickeltische und kleine Duschen auf einer Ebene.
Der Kindergarten ist auf integrativen Betrieb ausgerichtet, besitzt entsprechende Toiletten und Installationen. Es gibt zwei Gruppenräume, einen Ruheraum, der durch Schiebefenster zum Flur hin auch als Spielraum genutzt werden kann. Rückzugsmöglichkeiten bieten auch kleinere Nebenräume und der Therapieraum, der zudem für Fördermaßnahmen oder Elterngespräche genutzt wird. In der modernen Küche können aus dem Sockel kleine Podeste herausgezogen werden, damit auch mit den Kindern gekocht werden kann.
Die enge Abstimmung zwischen Erziehern und Architekten soll die Umsetzung der Reggio-Pädagogik des Italieners Loris Malaguzzi ermöglichen. Dieser Ansatz baue darauf, dass Kinder mündige Wesen sind, die ihr eigenes Wissen mitbringen, erläutert die Leiterin des Familienzentrums, Beate Konzen. Mit ihren fünf Mitarbeiterinnen, acht unter und 32 über dreijährigen Kindern lebt sie dies montags bis freitags von sieben bis 16 Uhr.
Offenes Modell in den städtischen Kindergärten
Die städtischen Kitas gehen mit einem noch offeneren Konzept in die Zukunft: Sie werden, wie berichtet, umgestaltet zu „Early Excellence“-Einrichtungen, in denen es die klassischen Gruppen nicht mehr gibt.
Bis 2015 sollen alle 39 städtischen Kindergärten in Mülheim dieses Modell umsetzen.