Mülheim.
Hätte sie das vorher gewusst, hätte sie es sich vielleicht noch einmal anders überlegt: Rund ein Jahr ist es her, dass Karin Löwenberg entschied, ihre Spielgruppe in ein Kindertagespflegenest umzubauen. Seitdem kämpfte sie sich durch einen Wust aus Antragsformularen, Richtlinien und Finanzplänen.
Die Qualifizierung zur Tagesmutter – oder wie es Amtsdeutsch heißt: zur Kindertagespflegeperson – war da noch das kleinste Übel. Zwar wird sie nun tatsächlich zum 1. August Kinder, die zwischen anderthalb und dreieinhalb Jahre alt sind, in Kleingruppen betreuen. Ob sie jedoch Fördermittel vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) für nötige Umbauten erhält, ist bisher nicht klar. Die vorgeschriebene Feuertreppe zahlte sie etwa bereits aus eigener Tasche.
Die Begriffserklärung vorweg: Ein Kindertagespflegenest ist ein Betreuungsangebot, das sich zwischen Tagesmutter und Kindergarten ansiedeln lässt. In angemieteten Räumen betreuen zwei qualifizierte Kindertagespflegepersonen (Tagesmütter) bis zu neun Kinder, die meist jünger als drei Jahre sind. Das Jugendamt bezuschusst die Kindertagespflegenester, wie beim Kindergarten zahlen die Eltern einen Beitrag, der sich nach deren Einkommen und den Betreuungsstunden errechnet.
Es wird geknetet und gebastelt
Die gelb gestrichenen Wände im Saarner „Mäusehaus“ verbreiten sonnige Atmosphäre im Untergeschoss. Um die zwei kleinen Tische mit den eben so kleinen Stühlen scharen sich die Kinder, links wird geknetet, rechts gebastelt und wer beides nicht will, spielt was anderes oder macht es sich in der Kuschelecke unter grünen Baldachinen bequem. Seit sechs Jahren leitet Karin Löwenberg zwei Spielgruppen im Vereinshaus der Turnerschaft Saarn am Kirmesplatz. Nun will sie einen weiteren Raum anmieten. Noch ist der kalt und ungemütlich, doch Karin Löwenberg weiß, wie es einmal werden soll. Ein „Ruheraum“ wird dort entstehen. Eine verbindende Glastür ist bereits eingebaut. Diese hat sie ebenso wie die Brandschutztreppe vor dem Fenster selbst finanziert. So hat sie auf jeden Fall die Genehmigung vom Jugendamt erhalten: Sie darf und wird ein Kindertagespflegenest leiten, wird neun Kinder im Alter von anderthalb bis dreieinhalb zwischen 8 und 15 Uhr betreuen. Für das kommende Jahr hat sie noch acht Plätze frei.
Für die weitere Renovierung hat sie 38.000 Euro veranschlagt – den entsprechenden Förderantrag hat der LVR bereits mehrfach abgelehnt. „Wegen Pillepup“, wie Karin Löwenberg es jugendfrei formuliert. Unter anderem geht es um die Frage, ob ein Wandregal Einrichtung oder Baumaßnahme ist. Mit Spitzfindigkeiten dieser Art schlägt sich die 50-Jährige seit Monaten herum – und ist genervt. „Sehr, sehr kompliziert“, nennt sie den Antragsvorgang mit „gefühlten 1850 Formularen“, wobei sie sich beim Mülheimer Jugendamt grundsätzlich gut beraten fühlt: „Sie haben meine Fragen gut beantwortet – und ich hatte ihnen viele, viele Fragen gestellt.“
Die Kirche im Dorf lassen
Was die Kinderbetreuung angeht, ist Karin Löwenberg vom Fach: Sie ist gelernte Erzieherin, leitete 14 Jahre lang einen Kindergarten und betreibt die zwei Spielgruppen, in der sie je zehn Kinder an verschiedenen Tagen vormittags betreut, inzwischen seit sechs Jahren. „Ich hatte eigene Räume, das war ein Vorteil“, sagt sie. Andere Tagesmütter müssten die im Vorfeld erst mieten, ohne zu wissen, was kommt. „Man muss“, sagt Karin Löwenberg, „viel Geld reinstecken für einen letztlich schlechten Stundenlohn.“
Dass Tagesmütter solche Hürden nehmen müssen, ist für die Erzieherin unverständlich und „widersprüchlich“: „Man hört immer, dass U3-Plätze dringend gebraucht werden.“ Einfacher, findet sie, müsse man das Verfahren gestalten, und sie wünscht sich, dass die Verantwortlichen beim LVR die Kirche im Dorf lassen. Manchmal ist ein Regal einfach ein Regal.