Mülheim.

Anderthalb Jahre Haft oder Bewährung? Im Fall einer sexuellen Nötigung geht es für einen Oberhausener Taxifahrer um alles. Der türkische Staatsangehörige und Familienvater soll im Februar 2011 eine Mülheimerin auf einer Fahrt nach Hause bedrängt haben. Er bestreitet jedoch die Tat und behauptet sogar, die Kundin hätte sich ihm angenähert.

Ausgestanden ist der Fall für die mutmaßlich Betroffene beinah anderthalb Jahre später immer noch nicht. Auch die Verhandlung am Freitag führte zu keinem Abschluss, weil – überraschend – nun noch Polizisten vernommen werden müssen, welche die Aussagen des Beschuldigten aufnahmen.

Noch sichtbar mitgenommen, hatte die Mülheimerin bereits an den Verhandlungstagen zuvor ihr Erlebnis mehrfach schildern müssen: Demnach fuhr sie der beschuldigte Taxifahrer in einer Fe­bruarnacht gegen halb vier von einer Diskothek an der Mülheimer Sandstraße nach Hause. Schon während der Fahrt habe der Fahrer ihr Komplimente gemacht, sie im Gesicht und am Oberschenkel gestreichelt.

Frau konnte in den Hausflur flüchten

Obwohl die Mülheimerin die Hand des Fahrers wegschlug und auf die Komplimente nicht einging, sei dieser auch beim Aussteigen zudringlich geworden. Er soll sie mit dem Rücken gegen das Taxi gedrückt und versucht haben, ihr an die Brust und unter den Rock zu fassen. Die Frau riss sich jedoch los und rannte zur Haustür. Der Fahrer soll ihr gefolgt sein und wurde an der Tür noch einmal zudringlich. Es gelang der Frau, ihn erneut zurückzudrängen und in den Hausflur zu flüchten.

In der Version des Beschuldigten soll die Mülheimerin ihn nach dem Aussteigen zum Dank für eine Zigarette geküsst haben, er habe sie jedoch abgewiesen mit der Bemerkung, sie sei wohl betrunken und solle sich ausschlafen. Dabei will er sie zurückgestoßen haben. In einem 20-minütigem Plädoyer versuchte die Verteidigung die Aussagen der Mülheimerin in Zweifel zu ziehen, diese sei aufgebracht gewesen, weil sie zurückgestoßen wurde.

Als die Polizei dann verständigt wurde, so der Verteidiger, hätte „die Sache eine Eigendynamik entwickelt“, sie sei dann „aus der Nummer nicht mehr rausgekommen“. Zudem sei auch nach den Schilderungen der Frau „nicht viel passiert“, der Beschuldigte sei „nur bis zum Knie gekommen“.

"Wir wollen keine Fragen offen lassen"

Allerdings: Die mutmaßlich Betroffene hatte den Vorfall selbst nicht angezeigt, sondern ihre Freundin, die kurz danach mit der wohl völlig aufgelösten Frau sprach. Das Gutachten der Sachverständigen ergab, dass die Schilderungen und die etwas verhaltene Gegenwehr der mutmaßlich Betroffenen glaubwürdig seien, auch wenn diese, nach den Aussagen eines Zeugen, auch mal „wütete, wenn ihr etwas nicht passte“. „In einer Ausnahmesituation wie dieser“, so die Sachverständige, „verteidigt man sich nicht mit den üblichen Mitteln.“

Steht nun einfach Aussage gegen Aussage? In diesem Fall geht es um mehr: Das Taxi ist für viele Menschen ein besonderer Schutzraum, Frauen nutzen ihn, um nachts sicher nach Hause zu kommen – so argumentierte auch die Anklage mit dem Missbrauch dieses Schutzraumes gegen eine mögliche Strafe auf Bewährung.

Ob das Schöffengericht dieser Forderung nachgeben wird, entscheidet sich erst Anfang Juli. Denn um das polizeiliche Protokoll des Beschuldigten gibt es noch offene Fragen: Hat der Taxifahrer etwa unterschiedliche Angaben zu seiner Version gemacht? Leisteten sich die Beamten einen Fehler und gaben Informationen über die Tat preis, noch bevor sie den Beschuldigten vernahmen? „Wir wollen keine Fragen offen lassen“, so der Vorsitzende des Schöffengerichts in Oberhausen Peter Dück.