Geschmückte Häuser sind in EM-Zeiten keine Seltenheit. Doch diese liebevolle Fassadengestaltung fällt ins Auge. Zu rot-weißen Fahnen und Fähnchen gesellen sich rote und weiße Luftballons. Da bleibt ahnungslosen Passanten nur eine Schlussfolgerung: Die, die hier wohnen, drücken den polnischen Kickern die Daumen. Doch geht man durch die gläsernen Schiebetüren erkennt der Besucher seinen Irrtum. Dort weist ein Schild eindeutig darauf hin, dass man eine Ländergrenze überschritten hat: Hinter den Türen beginnt Österreich und mit Fußball hat das gar nichts zu tun. Die 154 Bewohnen des Sankt Engelbertus-Stifts sind im Urlaub.

Wenn Menschen nicht mehr verreisen können, muss das Reiseziel zu ihnen kommen. Diese Überlegung setzte das Team der Senioreneinrichtung vor fünf Jahren erstmals um und brachte Bella Italia an die Seilerstraße. Nun ist Österreich an der Reihe und das Haus liebevoll gestaltet: Im Foyer liegen Heuballen, in der „Jausenstube“ werden Schmalzbrote geschmiert, die Tischsets geben Nachhilfe in „Österreichisch für Anfänger“, die Mitarbeiter tragen Trachten. Hier geht kein Mann ohne Tirolerhut.

Mit der Umgebung ändern sich die Menschen

Wie wichtig das Durchbrechen des Alltags ist, weiß Alexander Banowski. Als Mitarbeiter im Aktivteam des Sankt Engelbertus-Stifts hat er den fünftägigen Urlaub seit neun Monaten mitgeplant. „Für uns“, sagt er, „ist es wichtig zu sehen, wie verändern sich die Menschen, wenn sich um sie herum etwas verändert.“ Anregend sei das, besonders für Demenzkranke.

Doch den Urlaub vom Alltag genießen alle. Hildegard Wittek kommt ins Schwärmen, wenn sie von den vergangenen Tagen berichtet. Besonders gut hat der 72-Jährigen der Opernsänger gefallen, der als Teil des Rahmenprogramms beim „Opernball unter freiem Himmel“ sang.

Diese Reise ist aber nicht das erste Mal, dass die Seniorinnen und Senioren Urlaub machen. Dass das Aktivteam mit der Wahl des aktuellen Reiseziels richtig lag, beweist etwa Inge Osterfeld. „Österreich war für mich am schönsten“, sagt die 76-Jährige. Ab und zu ist sie mit ihrem Mann auch nach Holland gereist, der angelte nämlich gerne. Doch besonders in Erinnerung blieben ihr die Wochen in Kitzbühel: „Es war schön im Schwarzsee zu schwimmen, denn der hat einen Moorboden.“

Erinnerungen an vergange Reisen

Urlaubsreisen verband Helene Mikolas meist mit dem Besuch bei Verwandten. Die gebürtige Polin besuchte ihre Schwester in Mülheims Partnerstadt Oppeln. „Das war immer sehr schön“, erinnert sich die 79-Jährige.

Helgard Dickmann ging zum Urlaubsantritt auch schon mal in die Luft, nach Mallorca und Korfu ist sie geflogen. Dennoch fällt der 82-Jährigen zuerst eine Reise in den Schwarzwald ein, wo sie mit Mann und Kindern auf über 1000 Meter stieg. „Den ganzen Tag sind wir da hoch geklettert – aber frag‘ nicht nach Sonnenschein.“

Apropos Sonnenschein: Magdalene Schmitz gefiel ein Urlaub in Italien besonders. Mit ihrem Mann fuhr sie im Auto gen Süden und es war „heiß, heiß, heiß“. Aber bei der Ankunft wartete eine Unterkunft am Wasser, und am Strand war die Hitze dann bestens auszuhalten.

Zu Hause ist es am schönsten

Nicht mit dem Auto, sondern mit dem Motorrad war Anna Stolte unterwegs. Die heute 89-Jährige erkundete mit ihrem Mann die Schweiz auf zwei Rädern. Saß sie sonst im Beiwagen, nahm sie auf dieser Tour auf dem Sozius Platz. Ein Abend ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben: „Wir konnten kein Zimmer bekommen und mussten draußen schlafen. Und dann kamen die Mücken. . .“ Trotzdem: „Das war ein toller Urlaub!“

Solche weiten Reisen hat Karl-Heinz Beisemann nie unternommen. Der 70-Jährige blieb lieber in Mülheim und Umgebung. „Wir waren an der Ruhr und sind spazieren gegangen.“ Auch zu Hause kann es eben schön sein.